Die gefährlichste Zeit in meinem Leben

Eine Person schreibt einen Text.

Die gefährlichste Zeit in meinem Leben

In sechs Schreibwerkstätten machten sich die Teilnehmenden des WUK m.power Pflichtschulabschlusskurses an das Verfassen ihrer eigenen Geschichten. Entstanden sind viele spannende, beeindruckende und lehrreiche Texte. Nun folgt eine weitere Erzählung.

von Deka

Es war die schlimmste Reise in meinem Leben. Ich kann sie nicht vergessen. Ich brachte mein Leben in Gefahr. Ich wusste nie, wohin ich gehen würde, wo ich eintreffen würde.

Ich wurde in einem kleinen Ort geboren. Ich lebte mit meiner Familie. Dann wurde mein Vater getötet. Ein Freund von meinem Vater brachte mich zu meiner Oma nach Mogadischu. Wir fuhren mit dem Gemüselaster. Mogadischu ist die Hauptstadt in Somalia. Dort ging ich zur Schule. Ich musste meine Heimat verlassen aus vielen Gründen. Meine Oma organisierte alles. Ich flog in die Türkei mit einer Frau, die meiner Oma versprochen hatte, mich zu begleiten. Als ich so das erste Mal ins Ausland kam, war ich 15 Jahre alt. Die Frau kam in die Türkei wegen ihrer Gesundheit.

Am 20. November 2015 war ein unvergesslicher Tag. Ich und andere Flüchtlinge trafen sich im Park. Es war dunkel. Von dort fuhren wir, viele Leute, mit einem Auto zum Meer. Es dauerte ungefähr 3 Stunden. Als wir am Meer ankamen, war gerade Dämmerung. Wir mussten den ganzen Tag am Strand warten, wegen der Piraten, die auf dem Meer waren. Der Schlepper sagte: „Das wird nicht lange dauern.“ Wir konnten die Insel im Meer sehen, trotzdem hatte ich Angst. Ich kannte niemanden von diesen Leuten. Wir gingen um 5 Uhr am Abend ins Meer. Es war noch hell. Wir fuhren mit dem Schlauchboot. Der Fahrer war einer von uns. Er lernte das Steuern, während wir dort gewartet hatten. Als wir auf dem Meer waren, blieben wir für lange Zeit dort. Wir waren viele Leute aus verschiedenen Ländern. Unser Schlauchboot war benzinbetrieben. Es gab viele Wellen auf dem Meer. Das Wasser kam in unser Schlauchboot rein. Ich warf alle unsere Sachen ins Meer und versuchte, das Wasser mit den Händen aus dem Boot zu schütten. Alle hatten Panik. Ich dachte, dass ich nicht stark genug war. Ich hatte Durst, aber es gab nur eine Flasche Wasser. Daher nahm ich einen Schluck. Es war dunkel, wir waren noch am Meer und konnten nicht weiter fahren. Wir schalteten alle unsere Taschenlampen ein, damit wir die Rettung rufen konnten. Ein griechisches Fischerschiff rettete uns. Dann kamen wir zu einer kleinen Insel in Griechenland. Wir mussten zwei Tage im Hafen schlafen, da der Wind sehr stark war. Dann fuhren wir mit dem Schiff nach Athen. Von dort reisten wir weiter mit Schleppern nach Mazedonien. Der Weg zur Grenze war sehr gefährlich. Es war ganz dunkel. Wir durften kein Geräusch machen. Wir mussten laufen und obwohl wir müde waren, mussten wir lange zu Fuß gehen. Ich hatte große Angst. Ich hatte keine Kraft mehr zu gehen. Die Männer waren ganz vorne, und ich war hinten. Ich war das einzige Mädchen, weil ein anderes Mädchen ohnmächtig geworden war. Die anderen blieben bei dem Mädchen, um ihm zu helfen. Wir übernachteten an der serbischen Grenze im Haus eines Schleppers. Als wir im Haus des Schleppers waren, schlug er einen von uns, weil er sein Geld verspätet zahlte. Nach zwei Tagen mussten wir über die Grenze nach Serbien gehen. Plötzlich kehrte der Schlepper um, und wir mussten alleine im Dunkeln über die Grenze flüchten. Bei den Häusern vor der Grenze waren viele Hunde. Wir hatten Angst, dass sie uns mit ihrem Bellen verraten würden. Die serbische Polizei entdeckte uns. Sie sagten, dass wir zurückgehen mussten. Schließlich konnten wir aber weiter nach Serbien gehen. Wir fuhren mit einem Taxi nach Belgrad. Ein Schlepper brachte uns von dort an die ungarische Grenze. Dort mussten wir ein paar Tage warten. Jede Nacht versuchten wir, die Grenze unterirdisch zu überqueren. Endlich schafften wir es. An der Grenze warteten wir auf das Auto des Schleppers. Wegen eines Streits des Schleppers mit einer Frau ging der Schlepper nach Serbien zurück, wir waren nur mehr zehn Leute. Es war noch hell. Wir wurden festgenommen und ins Gefängnis gebracht, im Gefängnis hatte ich große Angst. Die Zelle war schmutzig. Wir bekamen nur hartes Brot mit Marmelade. Ich wurde aus dem Gefängnis entlassen. Ein Taxi, das der Schlepper organisierte hatte, brachte uns über die Grenze nach Österreich.

Ich konnte nicht vorhersehen, wie gefährlich die Reise sein würde. Ich bin froh, alle Gefahren überlebt zu haben. Das erste Mal in meinem Leben fühle ich mich sicher. In meinem Heimatland kannte ich Sicherheit nicht.

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