Einladung an Süppchenkocher
Jazz ist ein Versprechen. Die Verheißung von kleinen, dunklen, verrauchten Clubs. Elitären Zirkeln. Hübschen Männern, klugen Frauen und überhaupt coolen Menschen mit bodenlosen Whiskey-Gläsern. Wie man es halt so aus amerikanischen Filmen kennt. Jazz ist aber auch eine Drohung. Die Angst davor, dass die Clubs zu klein und die Menschen zu cool für einen selbst sein könnten. Dass man schräge Blicke ernten könnte, egal wie bodenlos das eigene Whiskey-Glas auch ist.
Der Verein JazzWerkstatt Wien, der letztes Jahr sein zehnjähriges Jubiläum feierte, bewegt sich seit jeher in diesem Spannungsfeld. Und tut einiges dafür, den Begriff zu entmystifizieren und ihm seine Bedrohlichkeit zu nehmen. Auch mit Veranstaltungen wie dem ZOOM!-Festival, das im April erneut im WUK stattfindet. „Wir wollen eigentlich weg von dem Begriff, zumindest so, wie ihn eine breite Masse aufnimmt. Um ihn auch neu zu definieren“, erzählt Manuel Mayr, einer der künstlerischen Leiter der JazzWerkstatt und Kuratoren des Festivals. „Der Name “JazzWerkstatt“ ist ein historischer, aber auch ein bisschen irreführend. Das einzige, was noch direkt mit Jazz zu tun hat, ist die Improvisation als elementarer Bestandteil des Ganzen.“
Die Situation, in der das Festival vor knapp einem Jahrzehnt entstand, war ähnlich wie heute: Jazz-Musiker lernen auf der Universität einen Beruf, den es eigentlich gar nicht gibt. Es existieren in Wien kaum Möglichkeiten für junge Leute dieses Fachs, ihr Können zu präsentieren. Die erste Festivalausgabe– damals noch ein einmonatiger Kraftakt, ein Statement, dass es eben doch geht – füllte eine Lücke. Die Szene kam in Scharen, und aus dieser Initialzündung heraus begannen Menschen selbst Dinge zu starten. Auch unter dem Namen JazzWerkstatt, die es mittlerweile auch in Graz und Bern gibt. „Früher war das Festival aber viel mehr Werkstatt. Es gab auch öffentliche Proben. Das war eine Plattform für die eigenen Projekte, die eigenen Kompositionen“, erinnert sich Mayrs Kollege Leo Riegler, der sich mit verschiedenen Projekten wie Koenigleopold und Solo-Auftritten eine gewisse Bekanntheit erspielt hat. „Jetzt ist es vor allem wichtig, viele verschiedene Genres reinzubuchen.“
Scene-Mashup
Darüber hinaus ist aber auch noch eine Sache wichtig, die sich eben aus der Geschichte des Festivals erklärt: Die Förderung von Menschen, deren Name vielleicht noch nicht bekannt genug ist, um leicht an Live-Auftritte zu kommen. Zum ersten Mal gibt es heuer beim ZOOM! jeden Abend ein „Scene-Mashup“. Junge Bands konnten sich auf eine Ausschreibung hin bewerben. Die Kuratoren wählten unter den Bewerbungen nach Qualität und künstlerischer Ausdruckskraft aus. Dieser Prozess verankert das Festival noch mehr in der Musikszene der Stadt und verhindert gleichzeitig auch, dass man als Kurator irgendwann betriebsblind wird. Nicht zuletzt will man den Bands einen ordentlichen Rahmen geben, um sich zu präsentieren: „Wir machen das Festival ja auch so, wie wir selbst als Musiker spielen wollen“, erklärt Riegler. Das Fünf-Tage-Festival in seiner jetzigen Form gibt es seit drei Jahren. Solange sind auch schon Mayr und Riegler als Kuratoren dabei, wobei sie über die JazzWerkstatt aber auch schon vorher involviert waren. Die BesucherInnenzahlen sind mit jedem Jahr besser geworden, was auch für die zunehmende Breitenwirkung des Festivals spricht.
Der WUK Projektraum wird für die fünf Tage zum „unprätentiösesten und gemütlichsten Konzertrahmen der Stadt“, wie es die JazzWerkstatt nennt. Der Ort wird dafür extra neu gestaltet. Im Vorfeld gibt es Umbauten, alles wird abgehängt, ein Bar- und ein Konzertbereich eingerichtet. Aber die Gestaltung bezieht sich natürlich auch auf die laufende akustische und performative Raumnahme des Festivals. Wie die letzten Jahre wird es auch heuer interdisziplinäre Elemente geben, aber die Musik steht eindeutig im Mittelpunkt. Und das soll auch so bleiben.
Eine Einladung
Irgendwann erzählt Mayr von der Band Lime Crush, die im Vorjahr beim ZOOM! gespielt hat. Und charakterisiert dabei – ohne es zu merken – das Selbstverständnis des Festivals und der JazzWerkstatt ziemlich exakt. Niemand bei Lime Crush hätte Schlagzeug spielen können, also hätten sich die Bandmitglieder an den Drums abgewechselt. Und das hätte viel ausgemacht. Es zähle nicht das Können am Schlagzeug, sondern die künstlerische Integrität. „Wir versuchen eine künstlerische Aussage zu ermöglichen. Aber das muss nicht unbedingt unsere Aussage sein“, erklärt Mayr. Das klingt dann gar nicht wie ein Versprechen oder eine Drohung. Sondern mehr wie eine Einladung.
Jonas Vogt ist freier Journalist, der mit und in Wien lebt und arbeitet. Er hat früher viele Filme gesehen, in denen verrauchte Jazz-Bars vorkamen.
JazzWerkstatt Wien ZOOM! Festival
Mi 6.4. bis So 10.4., 20 Uhr
Projektraum, Eintritt: € 9 je Tag, Festivalpass € 27
Mi 6.4.: Pneuma, zwölf nach vier, Wandl Live! (Affine Records)
Do 7.4.: Soft Kill Option, Killah Tofu, Audiobomber
Fr 8.4.: Leo Riegler Solo, Trio Trara, ON
Sa 9.4.: In Feses, Wiesinger/Preuschl/Cajado/Balashov, Überraschungsact