Zeit

Mo 23.6. bis Sa 19.7.2025

Preis

Eintritt frei

Ort

Fotogalerie Wien

Eingang

G

KunstAusstellung

VERLORENE FORM

Mit Verlorene Form wird in der bildenden Kunst eine Gussform bezeichnet, die zur Herstellung der Kopie eines Werkstücks dient. Sie ist nach der Abformung nicht mehr verwendbar und wird zerstört. Verlorene Form im übertragenen Sinn bedeutet Auflösung, Zerfall und damit Verlust von Struktur, Ordnung und Sicherheit. Was bleibt, wenn Form vergeht oder nur noch fragmentarisch besteht? Die Künstler*innen dieser Ausstellung sehen den Verlust von Form als Möglichkeit der Neubewertung und Reflexion. Sie interessiert gerade die Spurensuche im Verschwinden, die Transformation im Spannungsfeld von Materialität, Zeit und Wahrnehmung – etwas zu gestalten mit dem, was nicht mehr in seinem Ganzen fassbar ist, die Untersuchung der Zone zwischen dem Nicht-Mehr und Noch-Nicht. Das können unbrauchbar gewordene Objekte, sich auflösende körperliche Präsenz, schwindende Erinnerungen oder verloren gegangene Wahrheiten sein. Die Arbeiten verstehen sich als Auseinandersetzungen mit traditionellen Definitionen von Form, Skulptur und Körper, immer unter der Einbeziehung erweiterter Möglichkeiten von Fotografie. Dies führt wiederum zu fragmentarischen, abstrakten und/oder poetischen Arbeiten, die die Fragilität von Form und Gestalt sowie von Erinnerung und Identität in den Mittelpunkt stellen. 

Künstler*innen: Judith Huemer, Estefanía Landesmann, Tarlan Lotfizadeh, Joanna Nencek, Beichen Zhang

 

In ihrer großformatigen Unikat-Serie Headquarters, Textildrucken auf Samt, untersucht Judith Huemer die Beziehung von Körper, Stoff und Raum. Tagtäglich hat sie sich – tagebuchartig – in Alltagskleidung auf die Glasplatte ihres Scanners gesetzt und sich von diesem ablichten lassen. Aus dieser ungewöhnlichen Perspektive heraus entstanden abstrakte, zeichenhafte Bilder von textilen Falten, minimale Spuren des menschlichen Körpers. Die Zufälligkeit, wie der Stoff auf den Scanner kommt, sowie die Bewegung und Haltung der Protagonistin entschieden über die temporäre Faltenbildung. Jedes Bild ist einzigartig und war nicht vorhersehbar. Es geht um die Hinterfragung reglementierter und automatisierter gesellschaftlicher Verhaltensmuster wie Perfektion, Ordnung, Kontrolle und Routine, sowie von ästhetischen Idealvorstellungen, die Huemer mit der Schönheit des Unvollkommenen und Flüchtigen bricht. „Die Serie Headquarters plädiert dafür, dem Unkontrollierten, Zufälligen und Unbeachteten, kurz: den Marginalien, die das Menschsein ausmachen, Raum zu geben. Humorvoll entfalten die Bilder den symbolischen Gehalt einer alltäglichen Situation, zeigen, was nicht sichtbar ist und sich doch einschreibt.“ (Ruth Horak, 2024)

Estefanía Landesmann lenkt ihre Aufmerksamkeit mit Hilfe von Fotografie auf Orte, die Fragen zur Zeitlichkeit aufwerfen: Dinge, deren ursprünglicher Nutzen und Zweck obsolet geworden ist, ausrangierte Materialien, veraltete Architekturen und Produktionssysteme. In der Ausstellung zeigt sie Fotos von Trümmern aus einer Bildhauerwerkstatt am Rande Berlins, Gipsabguss- und Negativformen für monumentale Skulpturen. Sie wurden nach ihrer Verwendung aufgegeben und dem Einfluss von Wetter und Zeit ausgesetzt. Ausgehend von einem halb-archäologischen Dokumentationsprozess stellt das Projekt zwei bildgebende Medien – Fotografie und Skulptur – gegenüber und verschränkt sie miteinander, um die Konstruktion eines abwesenden Bildes nachzuvollziehen. Die Arbeit bewegt sich in der Grauzone zwischen digitalem und analogem Bereich und verwischt die Definitionen von natürlich und künstlich, mechanisch und handwerklich, real und fiktiv sowie figurativ und abstrakt. Auf Metall gedruckt, werden die Fotografien zu Objekten, bei denen die Texturen auf die glatte industrielle Oberfläche treffen. Was ist zu sehen, wo das endgültige Bild entfernt wurde? Welches Potenzial verbleibt im Negativ, in dem System, das seine Entstehung ermöglichte? 

Tarlan Lotfizadeh beschäftigt sich mit Vergessen, Migration und Identität. Die Arbeit Three-Dimensional Essay on Folding Memories versteht sich als Versuch, als Immigrantin Heimat so präzise wie möglich mitzunehmen und zu bewahren. Es begann mit der Erkenntnis, dass Fotografie allein die Erinnerung und das Wesen vom „Zuhause“ und seine emotionale Tiefe nicht vollständig festhalten kann. Lotfizadeh fing Maßstab, Form und Beleuchtung von Räumen der Heimat ein, formte aus Fotopapier „dreidimensionale Fotos“ und versah sie mit Markierungen, um sie nach dem Entfalten wieder zusammensetzen zu können. Falten und Entfalten kann man verstehen als Metapher für das Speichern, Verbergen und Wiederentdecken bzw. für den Wandel von Erinnerungen. Auch das natürliche Verblassen der unfixierten Fotopapiere deutet auf das Schwächer-Werden von Erinnerungen hin. Für die FOTOGALERIE WIEN entwickelt sie eine Wandinstallation aus Fotopapieren, womit sie den Prozess hinter Three-Dimensional Essay on Folding Memories aufzeigen möchte. Die Papiere werden markiert, um sie nach dem Ablösen, Falten und Entfalten wieder zusammensetzen zu können. Die sich farblich verändernden Fotopapiere versteht Lotfizadeh zudem als ständige Fotografie, die die Erinnerung an die Anwesenheit des Publikums im Raum einfängt.

In ihrer Serie Shut the Door benutzt Joanna Nencek ausgemusterte Glastüren als riesige Negative. Es entstehen Fotogramme in einem abgedunkelten Raum, wo „der massive Gegenstand (…) horizontal auf ein entsprechend vorbereitetes Fotopapierstück abgelegt und mittels eines kurzen Aufleuchtens der Zimmerlampe belichtet (wird). Nach der Entwicklung im Farblabor ist auf den monochromen Bildern in Rot oder Ocker jeweils die rechteckige Glasplatte mit den charakteristischen, runden Aussparungen an ihren Rändern zu erkennen. Ohne die zugehörigen Scharniere oder eingebauten Türgriffe, wird die Funktion des Motivs allerdings erst auf den zweiten Blick erkennbar. Vielmehr tritt die auf ihre Konturen reduzierte Form und haptische Oberfläche des Produkts in den Vordergrund. Obwohl mit der Glastür und dem verwendeten Fotopapier Ausgangsmaterialien zum Einsatz kommen, die industriell standardisierten Maßen unterliegen, ist es bemerkenswert, wie sich bei den Bildern ein gewisser Verfremdungseffekt einstellt. Denn durch die ungleiche Lichtverteilung bei der Aufnahme weisen das farbig fotogrammierte Objekt und seine Umgebung zwei jeweils eigene Schattierungen und Helligkeitsverläufe auf, die von zart bis kräftig reichen. So besteht trotz derselben Größe keinerlei Verwechslungsgefahr zwischen Fotografie und Fotografiertem.“ (Dortje Fink)

Seit 2018 untersucht Beichen Zhang die Geschichte der Zirkulation chinesischer Artefakte in amerikanischen Museen und initiierte ein Projekt namens 11,565 Kilometers. Präsentiert als „imaginierte Artefaktausstellung“, ist dies ein visuelles Archiv, das auf dem Medium der Fotografie, der Rückverfolgung der Herkunft von Artefakten, der Reproduktion von Artefakten, der Sammlung von Bildern und der historischen Forschung basiert. Der Film 11,565 Kilometers Project zeichnet die Wanderung eines kulturellen Artefakts (Object#40-35-4), eines Sargfragments, von der Provinz Shandong in China bis ins Museum für Archäologie und Anthropologie der Universität von Pennsylvania in den USA nach. Auf der Basis von historischen Fotografien, die die deutsch-japanischen Kolonialaktivitäten in Shandong dokumentieren, hat Zhang den Werdegang des Artefakts von der Ausgrabung bis zum Museum rekonstruiert. Die Arbeit basiert auf der Erkenntnis, dass Herkunft, Kontext und Geschichte von Artefakten durch das Herausreißen aus ihren Ursprüngen und das Unterbringen in kulturübergreifenden Museumssystemen verzerrt oder verschwiegen werden. Zhang hinterfragt kritisch die kulturellen Hierarchien und versucht, verlorene Wahrheiten über die Artefakte zu rekonstruieren.

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