"Ich bin eine Träumerin"

Tina Naderer (c) Victoria Herbig
Tina Naderer (c) Victoria Herbig

"Ich bin eine Träumerin"

Please Madame, Lou Asril, Paul Plut und Tina Naderer über utopische Gedanken

Im WUK-Jubiläumsjahr schaffen wir Platz für Utopien.

Utopie – Vor 40 Jahren war die Idee des Werkstätten- und Kulturhauses ein utopischer Gedanke. Wie hat sich diese Utopie in den vergangenen Jahrzehnten verändert und wie kann eine WUK-Utopie der Zukunft aussehen? Mehr noch: Was bedeutet Utopie in den unterschiedlichsten Facetten von Kunst, Kultur, Bildung, Beratung und den vielen anderen Tätigkeitsfeldern, die das WUK in sich versammelt? Wir schaffen im WUK-Jubiläumsjahr 2021 Platz für utopische Gedanken.

An dieser Stelle machen sich einige Musiker_innen, die im Oktober 2021 im WUK spielen, Gedanken über ihre persönlichen Utopien. Please Madame kommen am 12. Oktober ins WUK. Paul Plut präsentiert sein neues Album "Ramsau am Dachstein nach der Apokalypse" am 20. Oktober. Lou Asril beehrt das WUK am 26. Oktober. Einen Tag später begrüßen wir Tina Naderer (Support: AnJosef).

Paul Plut

Paul Plut (c) Guggi/Lierzer
Paul Plut (c) Guggi/Lierzer

"Der Himmel ist eitel und betrachtet sich gern selbst. Er tut das in stillen Bergseen, ungestört von Mensch und Tier. Unter diesem Siegel, der die sichtbare Welt von der verborgenen abtrennt wohnen die Ideen – in allen Größen und Formen. Ich spucke einen Geistesblitz aus und in den See hinein. Er verschlingt ihn und dankt mit makellosen Kreisen. Wie sieht es unter dieser Oberfläche aus? Ich halte meine Hand ins Wasser und warte, welche Kreatur anbeißt.

Utopie bedeutet „Nicht-Ort“. Kein fester Fuß lässt sich an diesen Ort setzen. Dort streift dich die Inspiration wie ein Schwarm von Fischen. Wie dicke Schneeflocken fallen die Ideen in deinen offenen Mund. Hierhin soll die Reise gehen. Doch wie gelange ich an diesen „Nicht-Ort”?

In einem Buch, das ich von einem selbsternannten Murtaler Schamanen bekommen habe, steht, dass es folgende Dinge braucht, um die Geisterwelt zu ergründen: Erstens: Ein Lied, um die Gefährten herbeizurufen. Zweitens: Freunde, die dich halten. Drittens: Eine Trommel, auf der du durch die Zwischenwelt reiten kannst. Ich lasse mir das nicht zweimal sagen: Ich sage Sprüche auf, schreibe meine Zeilen, versammle meine Band und wir wiederholen, bis Text und Zunge eins werden. Ich sehe meinen Fingern zu, wie sie über die Saiten reiten, an ihnen ziehen und zerren, ich beobachte meine Mitmusiker:innen, wie sie sich wie Schlangen um ihre Instrumente krümmen. Wir tauchen unter. Wir lösen uns auf. Der Nicht-Ort weitet sich in Kreisen aus und verschlingt mit einem Trommelschlag das Publikum.

Ehe ich mich versehe, verdichten wir uns wieder – mein Hemd ist nass vor Schweiß, vor mir sitzen Menschen auf Holzstühlen. Die Geister fahren zurück in die Knochen. Das Saallicht wird aufgedreht. Wir machen uns auf den Weg nach Hause."

Paul Plut präsentiert sein neues Album "Ramsau am Dachstein nach der Apokalypse" am 20. Oktober.

Tina Naderer

Tina Naderer (c) Victoria Herbig
Tina Naderer (c) Victoria Herbig

"Utopie | etwas, was in der Vorstellung von Menschen existiert, aber [noch] nicht Wirklichkeit ist.

Ich bin eine Träumerin, vor allem aber eine Tagträumerin. Denke mir Szenarien aus, die unmöglich scheinen, mir aber viel bedeuten würden. Ich entfliehe in Situationen, die ich gerne hätte und visualisiere damit meine Wünsche und Träume für die Zukunft und ey, das klappt. Seit dem Film "Zweiohrküken" geht mir folgender Spruch nicht mehr aus dem Kopf und dem Herzen: "Wenn man sich etwas wirklich wünscht, wenn man ganz fest dran glaubt, dass es in Erfüllung geht, dann passiert es auch." Und das ist so bisschenUtopie für mich. Auf die Bühne gehen, die Lichter sind noch aus, die Musik setzt ein und plötzlich ist all das da, was man sich seit immer wünscht und hofft, dass es mit Fleiß und etwas Glück in Erfüllung geht!

In meinen Texten ist also auch immer etwas Utopie dabei, Sehnsucht und die Vorstellung von Situationen, die es so noch gar nicht gibt. Wie schön, dass ihr mit dem WUK aus Utopie eine Wirklichkeit gemacht habt und Menschen somit verbindet mit Kunst, Kultur, Musik und ganz viel Herz!"

Am 27. Oktober begrüßen wir Tina Naderer (Support: AnJosef).

Lou Asril

Lou Asril (c) Alexander Gotter
Lou Asril (c) Alexander Gotter

"Ich weiß vermutlich nicht genau, was Utopie für mich bedeutet, weil ich noch nicht rausgefunden hab, was für mich perfekt ist. Einerseits wäre es für mich utopisch, wenn immer alles meinen Wünschen entspricht und ich im Zentrum stehe, andererseits wäre es ohne Challenges und Gefühlschaos auf Dauer bestimmt langweilig. Darum ändert sich meine Vorstellung von einer Utopie ständig.

Utopie-Momente in der Realität sind für mich definitiv Konzerte, Videodrehs, Fotoshoots und andere künstlerische Tätigkeiten, bei denen ich weiß, dass auf mich geachtet wird. Dieses Gefühl von Aufmerksamkeit habe ich sehr gern, ebenso wie das Adrenalin, das dabei ausgelöst wird. Je intensiver das ist, desto mehr kann ich mich selbst pushen.

Zu einem gewissen Anteil lebe ich schon in der Utopie, die ich mir in meiner Kindheit zusammengereimt habe. Auch wenn viele Umstände nicht exakt meinen damaligen Vorstellungen entsprechen, habe ich es geschafft, meine Träume teilweise auszuleben, was auf eine Art und Weise schon utopisch ist."

Lou Asril beehrt das WUK am 26. Oktober. 

Please Madame

Please Madame (c) Arne Mueseler
Please Madame (c) Arne Mueseler

Utopie. Ein Wort, das so viel Kraft in sich trägt.

Definiert wird die Utopie als "etwas, was in der Vorstellung von Menschen existiert, aber [noch] nicht Wirklichkeit ist".

Es muss also nicht zwingend vom Positiven geträumt werden - und doch tun wir es meist.
Für uns wäre die ideale Utopie, wenn Menschen frei von der Herkunft, des Geschlechts oder der Hautfarbe gleich behandelt werden. In unserer Utopie wären Frauen wirklich gleichgestellt, Kinder müssten nicht in Armut aufwachsen und jeder Mensch hätte echte Chancengleichheit. Klimaziele wären längst erfüllt und ja, vielleicht etwas egoistisch, aber wir würden auch hunderte Konzerte vor Tausenden von Menschen spielen. (Ohne ein bisschen eigene Ziele wär’s auch fad.)

Wenn man diese Zeilen liest, könnte man uns nachsagen, dass wir nur Träumer sind. Und doch merken wir, dass sich etwas bewegt. Wir werden alle ungeduldiger, wenn es um die großen Fragen der Gesellschaft geht. Und das ist gut so. Jeden Tag versuchen wir, ein Teil der Bewegung zu sein, die sich die Worte Égalité und Liberté wirklich zu Herzen nimmt. Jeder Schritt ist ein Schritt, auch wenn es nur kleine sind.

Auf dass wir diese Utopie gemeinsam ermöglichen werden.

Please Madame kommen am 12. Oktober ins WUK. 

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