Care Leaver- wohin geht die Reise?

Füße am Skateboard im Gegenlicht

Care Leaver- wohin geht die Reise?

Ein Fachbeitrag von WUK CoachingPlus

Junge Erwachsene sollten auf ihrem Weg zur Selbstständigkeit begleitet und unterstützt werden, doch nicht alle haben die gleichen Chancen.

Beitrag von Claudia Wanke, Sozialarbeiterin bei WUK CoachingPlus

Stellen Sie sich vor, Sie sind 18 Jahre alt und müssen das Elternhaus verlassen. Sie haben vielleicht einen Wohnplatz gefunden - eine abgeschlossene Ausbildung oder eine Arbeit haben Sie aber noch nicht. Ihre Familie können Sie bei Fragen nicht mehr anrufen. Sie sind nun auf sich und Ihr soziales Netzwerk gestellt, wenn Sie eines haben. Es gibt zwar verschiedene Anlaufstellen bei Problemen, aber die kennen Sie nicht genau und sind sich nicht sicher, ob Sie es alleine dort hin schaffen.

So geht es vielen jungen Erwachsenen in Österreich. Sie werden Care Leaver genannt- junge Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht in ihrem Herkunftssystem sondern in einer Einrichtung der Kinder und Jugendhilfe oder bei einer Pflegefamilie aufgewachsenen sind und diese demnächst verlassen müssen oder bereits verlassen haben. Sie haben in vielen Fällen keinen Anspruch mehr auf weitere Unterstützung der Kinder- und Jugendhilfe.

Derzeit sieht die Wiener Kinder- und Jugendhilfe einen Ausschluss von Care Leavern mit Erreichen des 18. Lebensjahres vor. Eine Verlängerung über das 18. Lebensjahr muss begründet sein und ist oftmals an Bedingungen wie dem Nachgehen einer Ausbildung geknüpft. Ist dies nicht der Fall, sind die jungen Erwachsenen auf sich gestellt. Vorab wird mit ihnen an Selbstständigkeit, einem gesicherten Wohnplatz und finanzieller Grundsicherung gearbeitet - dies reicht jedoch oftmals noch nicht aus, um sie auf das Leben „danach“ vorzubereiten. Neben existenziellen Sorgen sind die jungen Erwachsenen mit emotionalen Belastungen konfrontiert, da sie ihr jahrelanges Zuhause und ihre Bezugspersonen verlassen müssen. Einige von ihnen kehren zu ihrem Herkunftssystem und instabilem und konfliktreichem Umfeld zurück oder geraten in die Obdachlosigkeit. Die Kinder- und Jugendhilfe investiert zum Teil jahrelang hohe finanzielle Ressourcen, deren Einsatz dann auf halber Strecke auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit verloren geht.

Diese jungen Menschen müssen somit mit einem Schlag erwachsen sein, obwohl sich der Übergang vom Jugend- ins Erwachsenenalter nicht an bestimmte Altersgrenzen festlegen lässt. Der Auszug aus dem Elternhaus, der Einstieg in die Vollerwerbstätigkeit und Familiengründung haben sich in den letzten Jahrzehnten in das 24. bis 30. Lebensjahr verschoben. In der Forschung wird das junge Erwachsenenalter als „Emerging Adulthood“ beschrieben (Arnett 2000).

Das Beratungsangebot von WUK CoachingPlus richtet sich unter anderem an junge Menschen, um ihnen den Einstieg in die Arbeitswelt zu ermöglichen. Viele von ihnen haben nicht den gleichen Zugang zu Bildung wie ihre Peers und sind mit individuellen Herausforderungen konfrontiert. Care Leaver können zusätzlich auf weniger Ressourcen zurückgreifen.

In Österreich gibt es seit ein paar Jahren Bemühungen, die Situation für Care Leaver zu verbessern. Politische Forderungen wurden von Care Leavern im Rahmen des „Care Leaving Dialogs“ (FICE Austria, CareLeaving Dialog 2019) formuliert und mit Politiker_innen diskutiert.
Die Plattform Jugendhilfe 18+ setzt sich aus 16 Organisationen zusammen und hat als gemeinsames Ziel eine größere Chancengleichheit für junge Erwachsene aus der Kinder- und Jugendhilfe im Vergleich zu ihren Peers, die in ihren Herkunftssystemen aufwachsen, zu schaffen (FICE, Care Day 2020). Gefordert werden die Verlängerung der Hilfen der Kinder- und Jugendhilfe für Care Leaver bis zum vollendeten 24. Lebensjahr, flexible und passgenaue Unterstützung, sowie nachgehende Übergangsbegleitung.

Mittlerweile gibt es einige wenige Angebote, die sich um die jungen Erwachsenen annehmen und sie weiterhin betreuen. Dies ist jedoch bei weitem nicht ausreichend. Die gesellschaftliche Teilhabe der jungen Erwachsenen muss nachhaltig gewährleistet werden, um nicht nur sie bestmöglich zu unterstützen, sondern auch um die investierten Ressourcen wirkungsvoll zu entwickeln. Es liegt nun an der Politik, die strukturellen Rahmenbedingungen für Care Leaver zu schaffen!

Quellen

Arnett Jeffrey Jensen (2000): Emerging Adulthood. A Theory of Development from the Late Teens through the Twenties. In: Amarican Psychologist. 469-480.

https://www.fice.at/care-day (2020)

https://www.fice.at/careleavingdialog (2019)

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