R.I.P. Services
Es ist kein schönes Thema, aber eines, mit dem wir uns zwangsläufig alle auseinandersetzen müssen: Das Sterben. "Aufgrund der medizinischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte kann unser Leben auf eine Art und Weise verlängert werden, welche für frühere Generationen noch unvorstellbar war. Der Sterbeprozess wird dadurch zunehmend kontrolliert und wir werden mehr und mehr in die Situation kommen, den Zeitpunkt unseres Todes selbst bestimmen zu müssen.Können wir es uns leisten, uns nicht auf unser Sterben und den Verfall unseres Körpers vorzubereiten?" fragen onemorequesition rund um Joonas Lahtinen. Im Interview sprechen wir über das Tabu Sterben und inwiefern das Sterben zunehmend kontrolliert wird.
Der Tod ist eines der größten Tabus in der westlichen Gesellschaft und dass obwohl wir doch alle persönlich davon betroffen sind. Warum glaubt ihr, ist das so?
Luzie Lahtinen-Stransky: Vielleicht ist es sogar wichtig für uns, dass der Tod ein Tabuthema ist. Im ständigen Bewusstsein des Todes zu leben ist sicher nicht leicht. Trotzdem geht es in unsere Performance sehr stark darum, sich die Endlichkeit des Lebens zu vergegenwärtigen. Es ist nun mal so, dass wir in unserem Alltag hier in Wien nur sehr selten mit dem Tod konfrontiert werden und es uns dann wie aus heiterem Himmel eiskalt erwischen kann, wenn der Tod unser Leben kreuzt. Sich ein bisschen mit dem Sterben und dem Tod zu beschäftigen oder was-ist-wenn-Szenarien mit seinen Familienmitgliedern und Verwandten zu besprechen, kann, denke ich, sehr hilfreich sein.
Joonas Lahtinen: Unsere Gesellschaft ist vom „Jungsein“ sowie vom Leistungsgedanke und Effizienz geprägt; jede_r sollte „produktiv“ sein und an seinem/ihrem „Potential“ arbeiten, dynamisch und agil agieren und sich selbst verwirklichen. In diesen Ethos passt Tod als unkontrollierbarer und passiver Zustand gedanklich nicht hinein.
Der Tod ist auch etwas Ungreifbares. Wir können nicht wissen oder am eigenen Leibe spüren, wie sich sterben oder tot sein anfühlen. Diese Ungreifbarkeit kann natürlich Ängste verursachen. In unserer Gesellschaft wird der Zerbrechlichkeit wenig Sichtbarkeit gegeben; die Kranke und die Alten werden hinter institutionelle Mauern versteckt. Also, es gibt wenig Platz für Tod, Zerbrechlichkeit und die Vergänglichkeit des Lebens in unseren Alltagserfahrungen.
Wie nähert ihr euch performativ an das Thema Sterben an?
Joonas Lahtinen: Das Sterben wird oft sehr stark mit negativen Konnotationen besetzt und es gibt ja auch eine ganze Menge historische, kunstgeschichtliche und populärkulturelle Bildmotiven über den Tod. Wir wollten aber das Sterben weder einfach visuell repräsentieren, noch eine eindimensionale Grusel-Show machen. In R.I.P. SERVICES spielen der Raum, die Performer_innen und natürlich die Zuschauer_innen eine wesentliche Rolle.
Luzie Lahtinen-Stransky: Wir arbeiten bei R.I.P. SERVICES mit mehrern Formaten. Ein Teil der Performance wird wie ein Sterbevorbereitungskurs aufgezogen. Das ist aus der Frage heraus entstanden, warum es eigentlich Geburtsvorbereitungskurse aber keine Sterbevorbereitungskurse gibt. Ein zweites Format ist ein Interview zum Thema Sterben, an dem jede_r Besucher_in teilnehmen kann.
Joonas Lahtinen: Auch wenn wir Meditationsübungen in R.I.P. SERVICES mit einem Augenzwinkern einsetzen, ist das Üben des Loslassens eine ganz wichtige körperliche und performative Technik, die vielleicht eine Möglichkeit bietet sich dem Sterben anzunähern.
Warum und inwiefern wird das Sterben zunehmend kontrolliert bzw. warum müssen wir unser Sterben kontrollieren?
Luzie Lahtinen-Stransky: Durch den medizinischen Fortschritt, werden wir besser mehr in der Lage sein alle Funktionen des menschlichen Körpers künstlich am Leben zu erhalten bzw. ersetzen zu können. Das hat natürlich zur Folge, dass der Zeitpunkt des Todes sehr lange herausgezögert werden kann. Und wir befinden uns als Gesellschaft jetzt in der Diskussion, wann diese Maßnahmen legitime lebensrettende Maßnahmen sind und wann nur noch der Sterbeprozess verlängert wird. Das ist eine hochaktuelle Frage, die auch viele rechtliche Fragen für Ärtzt_innen und pflegende Berufe beinhaltet. Leider sind wir bei unseren Recherchen immer wieder darauf gestoßen, dass es sehr oft vorkommt, dass ein alter sterbender Menschen aus dem Altersheim noch schnell mit der Rettung in ein Krankenhaus gebracht wird, obwohl es palliativmedizinisch nicht notwenig war und für den Sterbenden nur unnötigen Stress bedeutet. Da braucht es bessere Schulung der Pflegeberufe und ein erhöhtes Bewusstsein der Angehörigen. Wichtig wäre in jedem Altersheim ein Hospizteam mit einer_m Palliativmediziner_in zu haben.
Joonas Lahtinen: Laut Forschungen möchten fast alle Menschen am liebsten in Ruhe Zuhause sterben, im Umkreis der Familie und Freund_innen. Aber bei immer weniger Fällen passiert das letztendlich so.
Müssen wir das Sterben lernen?
Luzie Lahtinen-Stransky: Sterben lernen kann man vermutlich nicht, aber wir können uns vorzeitig damit beschäftigen und mit den uns nahe stehenden Menschen in unserer Umgebung im Gespräch bleiben, besonders mit den sehr alten Menschen, und vorzeitig darüber sprechen, welche Maßnahmen sie wollen und welche nicht. Denn es kommt erstens anders und zweitens als man denkt.
Joonas Lahtinen: Sich mit dem eigenen Sterben und mit dem Sterben Anderer zu beschäftigen kann aber auch die Lebensqualität verbessern. Man reflektiert dabei über Wünsche, Pläne und Ängste. Und es kann vielleicht auch ein Ansporn sein, Aspekte seines Lebens und seines Alltags noch zu ändern.
Ich habe kürzlich in einem Artikel gelesen, dass es in Finnland, seit kurzem, tatsächlich einen professionellen „Sterbecoach“, also eine kommerzielle Dienstleistung, gibt! Also so fiktiv ist das Szenario vom R.I.P. SERVICES dann doch nicht!
onemorequestion | Joonas Lahtinen
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Sa 05.01. bis Mi 09.01.2019
Kunsthalle Exnergasse, 19:30 Uhr
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