Money Boy: Eine Magisterarbeit

Portrait Money Boy mit Halskette
© Money Boy

Money Boy: Eine Magisterarbeit

Der Wiener Autor und Übersetzer Harald Havas durchschaut die Kunstfigur Money Boy. Möglicherweise.

Money Boy gibt Rätsel auf. Es ist ein Rätsel ohne erkennbare Lösung. Aber vermutlich will er genau das. Also, wirklich nur vermutlich. Denn alles an seiner Biographie und seiner Karriere ist ein einziger Widerspruch. Nichts passt zusammen.

Er ist ein unmusikalischer Musiker, ein Rapper mit Uni-Abschluss, ein Talentloser, der gerade aufgrund seiner Talentlosigkeit bereits eine beachtliche, schon sechs Jahre lang andauernde Karriere vorzuweisen hat. Vier Alben, drei EPs, sechs Singles und eine Baseballkappe voll Mixtapes. Er verkauft Merchandise auf seiner Website. Sein bisher größter Hit „Dreh' den Swag auf“ wurde auf YouTube 22,7 Millionen mal aufgerufen, aber deutlich öfter negativ als positiv bewertet. Er ist gerne gesehener Gast von MTV über WDR bis „Wir sind Kaiser“, erweckt stets den Eindruck eines tumben Toren, der gerne Rapper wäre, zwar überhaupt nichts kann, aber dennoch absolut davon überzeugt ist, ein Star und großer Künstler zu sein. Versuche, ihn ironisch oder sarkastisch auszuhebeln, schlagen stets fehl. Dabei ist Sebastian Meisinger, so sein bürgerlicher Name, alles andere als dumm, wie auch Univ-Prof. Dr. Peter Vitouch bezeugen kann. Dieser betreute Meisingers Magisterarbeit mit dem Titel „Gangsta-Rap in Deutschland“ (Wien, 2008). Man kann also vielleicht sogar davon ausgehen, dass der Kerl tatsächlich uns alle, das Publikum, das ihn staunend betrachtet wie einen ganz besonders schillernden, seltenen Käfer, für dumm verkauft. Vielleicht.

Bitte akzeptieren Sie die Marketing Cookies, um dieses Video anzusehen.

Dazu hier eine Art Faktencheck: Money Boy ist kein Rapper, er ist ein Rapper-Darsteller. Money Boy beschwört den Swag, täuscht ihn aber nur vor. Money Boy kann auch nicht wirklich singen, er tut nur so. Money Boy hat augenscheinlich nicht einmal Rhythmus-Gefühl. Er scheint sich zu einem eigenen Rhythmus in seinem Kopf zu bewegen, stets jedoch asynchron zur gerade laufenden Musik. Money Boy hat auch keine provokanten Texte. Er verwendet nur Textversatzstücke rund um die Genreüblichen Themen Sex, Porno und Drogen, die man ihm jedoch keine Sekunde lang abnimmt

Money Boy vor dunklem Hintergrund in Rapperpose mit Kette.
© Money Boy

Money Boy ist nicht einmal sprachlich authentisch. Er spricht Wiener Hochsprache, die mehr auf seine Zeit im Gymnasium und an der Uni verweist, als auf zeitgemäßen Slang aus den Gossen Favoritens oder Ottakrings. Er dreht Glamour-Videos, die ihn aber nicht in riesigen Hotel-Wasserlandschaften, sondern im Schrebergartenpool zeigen, während er mit Schmuckimitaten behängt mit buntem Spielgeld wachelt. Fern vom Original, aber auch zu dilettantisch und zu prätentiös zugleich, um als schlappe Parodie durchgehen zu können. Allerdings sagt Money Boy auch selbst, er möchte gar kein Gangster-Rapper sein. Er möchte ein Swag-Rapper sein, dem es nur um Geld, Klunker und Autos geht. Er sucht, so meint er, den Weg zum schnellen Reichtum, alles andere (wie die Musik) steht dabei im Hintergrund. Und das zieht er gnadenlos durch. Und irgendwie ist er dabei erfolgreich.

Wenn ich ihn kategorisieren müsste, würde ich Money Boy am ehesten in die lange Liste der Wiener (und österreichischen) Originale und gnadenlosen Selbstdarsteller einordnen. Als Nachfolger einer ehrenwerten Reihe von Lokalgrößen wie Waluliso, Edwin „Kuglmugl“ Lipburger oder den (mehr) Zettel- (als) Poeten Helmut Seethaler. Allerdings, waren und sind diese authentisch sie selbst in ihrer Performance, bei Money Boy bleibt jedoch stets die Frage im Raum, ob Money Boy nicht einfach nur Money Boy spielt? Und das ist aber auch egal. Denn Money Boy ist noch etwas: Money Boy ist eine echte Show.

Harald Havas, Jg. 1964, lebt als Autor von Büchern, Comics und Spielen in seiner Heimatstadt Wien. Besonders bekannt ist er durch seine satirischen Wien- und Österrreich-Bücher beim Metroverlag, sein Projekt österreichischer Superhelden-Comics (www.austriansuperheroes.com) und seinen humoristischen „Lyriklesungen“ bekannter Pop-Texte auf YouTube (https://www.youtube.com/user/derhavas). U.a. auch mit einem Text von Money Boy.

Money Boy & Hustensaft Jüngling

Sa 12.3., 21 Uhr, Saal

1994: 30 Jahre, 30 Bilder

Eine analoge Zeitreise

Mi 20.3.2024 bis Mo 30.12.2024

Statt-Beisl im WUK

Mehr lesen

FABELHAFT!

Klingende Geschichten von Zwergen, Tieren und vom Frühling

So 28.4.2024
17.00 Uhr

Projektraum

Mehr lesen

Die Sterne

Grandezza Tour | Support: Angela Aux

Mi 8.5.2024
20.00 Uhr

Saal

Mehr lesen

William Fitzsimmons

The Sparrow and the Crow – 15th Anniversary | Support: James Bruner

Fr 10.5.2024
20.00 Uhr

Saal

Mehr lesen

Dutzis ESC-VAGANZA! Live Drag Show

Anschließend Eurovision Public Viewing & Party

Sa 11.5.2024
19.30 Uhr

Saal

Mehr lesen

SINNOI

The New Path

So 12.5.2024
19.00 Uhr

Saal

Mehr lesen

Diese Artikel könnten dich auch interessieren:

Landschaftsaufnahme, Mensch schwingt ein Seil auf Gipfel in der LuftArtikel lesen

Die Ambivalenz des Scheiterns

Wie Künstler_innen im Anthropozän, dem "Zeitalter des Menschen", das Tragisch-Komische des Lebens reflektieren.

Artikel lesen

Das Theater als Ort der Utopie

Im Theater wird Raum geschaffen, um aufzurütteln, um Moralvorstellungen zu hinterfragen, um das Etablierte in seinen Grundfesten zu erschüttern.