Ein Leben ist zu wenig

Portrait Rocko Schamoni
King Fledermaus: Rocko Schamoni © Kerstin Behrendt

Ein Leben ist zu wenig

Rocko Schamoni im Interview

Christine Baumann ist Rocko Schamoni-Fan. Bei seinem letzten Besuch im WUK hat sie mit ihm kurz über Hamburg und Wien geplaudert. Das Sammelsurium an Fragen, die sie ihm damals noch stellen wollte, beantwortet er jetzt in diesem Mail-Interview.

Rocko, Du bringst Dein neues Buch nach Wien. „Fünf Löcher im Himmel“ hat einen neuen Helden Namens Paul. Warum hast Du Dich von Michael Sonntag verabschiedet?

Michael Sonntag wird als mein Alter Ego ausgelegt und in diesem Fall wollte ich ein Buch schreiben, das mit mir und meiner Welt nichts zu tun hat. Sonntag war mein Parallelwelt-Sklave, den ich alles tun lassen konnte, was mir selber zu unangenehm gewesen wäre. Ich freue mich, jetzt das erste Mal echte Distanz zu meinem Protagonisten zu haben. Ich möchte nicht den Eindruck eines Bedürfnisses nach Nabelschau erwecken.

Was bedeutet für Dich der Unterschied zwischen Öffentlichem und Privatem?

Ich finde mein Privatleben für die Öffentlichkeit nicht wichtig. Ich möchte für meine Kunst beachtet werden bzw. für das, zu dem ich meine, etwas sagen zu müssen. Je älter ich werde, desto mehr gefällt mir der Gedanke des Verschwindens. Leute, die glauben, die Gegenwart ständig mit ihrer Meinung verpesten zu müssen, sind mir ein Gräuel. 

Du arbeitest als Autor, Musiker, Schauspieler, Humorist und Aktionist. Was reizt Dich am Springen zwischen den Genres?

Ich langweile mich schnell, war in der Schule bereits ADS-Kandidat (Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom, Anm.), interessiere mich für viele Bereiche, möchte gerne alles lernen und ausführen können. Ein Leben ist zu wenig für all die Möglichkeiten, die es in der Kunst gibt.

Kannst Du Dir vorstellen, dass Dich die Wiener_innen lieben, weil Dein Humor mit Hang zum Morbiden ihren Nerv trifft?

Schwer zu sagen. Das, was man als deutschen Humor (RTL und Pro7 Comedy) bezeichnet, finde ich in der Regel einschläfernd. Das, was ich als österreichischen Humor kenne (Hader, Stermann und Grissemann, etc.), gefällt mir dagegen sehr gut.

Du setzt Dich kritisch und aktionistisch mit der Entwicklung Deiner Stadt auseinander. Wie sieht es aus in Hamburg?

Hamburg ist nicht mehr zu retten. Alle wilden Quartiere, Orte wo normalerweise die Kunst her kommt, sind verkauft. Diese Entwicklung ist nicht rückgängig zu machen. Was einmal im Privatbesitz gelandet ist, ist der Öffentlichkeit entzogen. Wir haben in dieser Stadt nicht mehr viel mitzureden. Irgendwann werden wir, die Künstler_innen, die Spinner_innen, die Nichtbesitzer_innen, vermutlich alle wegziehen.

© Dorle Bahlburg

Hast Du das Gefühl, dass es in Wien anders läuft?

Ich vermute, dass es bei euch ähnlich läuft. Diese Prozesse laufen ja überall gleich ab.

Was hältst Du vom WUK, der „Versuchsanstalt für immer“?

Ich mag das WUK, weil man mich dort gut behandelt. Außerdem hat der Ort so eine schöne Bollwerkhaftigkeit.

Im Oktober findet im WUK die Kinder- und Jugendliteraturwoche statt. Gibt es ein Buch, das Dich in Deiner Jugend bewegt hat?

Das Größte mit 17 war für mich "Alexis Sorbas", ein Buch über Mut und Lebenslust.

Warum taucht in Deinen Büchern wiederholt das Phänomen der Abwesenheit von Sinn, Nutzen und Erfolg auf?

Weil ich die ewige Zielgerichtetheit unseres Lebens immer wieder abstoßend finde. Das Leben hat keinen Sinn und braucht auch keinen. Und die Kunst auch nicht.

Rocko Schamoni

liest aus „Fünf Löcher im Himmel“
Mi 22.10. und Do 23.10., 20 Uhr, Saal

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