Rituale II - Zeremonien
Im Fokus der zweiten Schau des Schwerpunkts Rituale stehen religiöse, aber auch profane Zeremonien verschiedener Kulturen. Der Ablauf von Ritualen wird bestimmt von meist feierlichen Zeremonien, die in Form festgelegter Ordnungen, Handlungen, Gebärden und Haltungen und zum Teil unter Zuhilfenahme von Objekten, Bildern und Zeichen mit großem Identifikations- und Symbolcharakter für die Ritualteilnehmer durchgeführt werden. Rituelle Zeremonien haben die Kraft, die Hoffnung auf die Erfüllung des jeweiligen Wunsches zu intensivieren. Meist spielen der herausgehobene Anlass und der besondere Ort sowie die Reise zu diesem Ort als Teil der Zeremonie eine zentrale Rolle. Die künstlerischen Arbeiten beschäftigen sich mit religiösen und weltlichen Zeremonien bei Transformations- und Initiationsritualen, durch die Menschen einen anderen Bewusstseinszustand erreichen, sowie bei Heilungs-, Trauer- und Danksagungsritualen. Die Künstler_innen widmen sich einerseits mit dokumentarisch-authentischen Beiträgen der Thematik, andererseits mit symbolhaft-verdichteten Arbeiten, wobei sich häufig religiöse und profane Verweise vermischen sowie Traditionen in neue Konstellationen in die Gegenwart geführt werden.
Rituale sind ein wichtiger Bestandteil des Ausdrucks- und Kommunikationsverhaltens des Menschen und sagen viel aus über Werte, Rollenverständnis und das soziale Miteinander, in dem sie eine regulierende, unterstützende Funktion einnehmen. Die komplexen Inhalte und die große Bedeutung des Rituals für den Menschen hat das kuratorische Team der Fotogalerie Wien dazu inspiriert, einen Schwerpunkt mit vier Ausstellungen mit internationalen Künstler_innen in den Jahren 2019/2020 zu konzipieren. Der Begriff „Ritual“, ursprünglich nur im liturgisch-zeremoniellen Kontext üblich, wird heute für alle gesellschaftlichen Bereiche verwendet. Das Ritual ist eine nach vorgegebenen Regeln und meist in festgelegter Reihenfolge durchgeführte Handlung mit primär identitäts- und sinnstiftendem Ziel bzw. mit dem Wunsch nach Orientierung, Erkenntnis und gemeinschaftlichem Handeln. Es setzt sich ab von alltäglichen Gewohnheiten bzw. instrumentellen, regelmäßigen und vor allem zweckorientierten Tätigkeiten, denen aber ein „ritueller Charakter“ zugeschrieben werden kann. Das Ritual besetzt somit vor allem den geistigen und emotionalen Raum. Charakteristisch für das Ritual sind zudem Inszenierung, Prozessualität und meist hohe Symbolhaftigkeit. Die vier Ausstellungen beschäftigen sich mit gesellschaftlichen Ritualen und den damit einhergehenden Beziehungsgeflechten; mit Ritualen, in denen sich Machtdemonstration, Unterdrückung und Ausgrenzung artikulieren, sowie mit religiösen und anderen zeremoniellen Ritualen. Im Zuge dessen werden die mit den verschiedenen Ritualen verbundenen Codes, Haltungen und Kommunikationsformen untersucht.