Sich zum ersten Mal richtig verstanden fühlen

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Sich zum ersten Mal richtig verstanden fühlen

Peer Support in der WUK Arbeitsassistenz

Rita Außerlechner bietet seit 2019 Peer Support für Teilnehmer_innen der WUK Arbeitsassistenz im Einzel- und Gruppensetting an.

Peer Support ist für mich nicht nur eine berufliche Tätigkeit, sondern auch jedes Mal eine Bereicherung, auch meiner autistischen Welt.

Diese Bereicherung, die für mich das Leben als Autistin und das Arbeiten mit Autist_innen darstellt, versuche ich, direkt in den Peerberatungen auf Augenhöhe und dennoch hochprofessionell weiterzugeben.

Meine vielfältigen Ausbildungen sowie mein Wissen über Autismus sowie wissenschaftliche und medizinische Kenntnisse, stellen gemeinsam mit meinen jahrzehntlangen Erfahrungswerten aus persönlichen und beruflichen Umfeldern das Fundament für die Beratungen dar.

Auf dieses Fundament baue ich individuell für und mit den Klient_innen einen Rahmen, der es jedem_r ermöglicht, sich nach ihren jeweiligen Wünschen und Möglichkeiten zu entfalten und die Arbeits- und Ausbildungswelt zu entdecken.

Besonderes Augenmerk lege ich auf Empowerment und Stärkung der persönlichen Innenperspektive sowie auf gegenseitiges Verständnis der Außenperspektive, der zwei (Um-)Welten, Autismus und Neurotypus. Denn nur wenn man verstanden hat, wie die „andere“ Welt funktioniert und was man selbst bewirken kann, bzw. welche Ansprüche man hat, kann man sich wohl und sicher fühlen und sich entwickeln.

Wie läuft nun ein Peer Support ab?

Die Klient_innen werden von den jeweiligen Arbeitsassistent_innen bei Fragestellungen, die aus Prozessen der Arbeitssuche oder bei Schwierigkeiten in bestehenden Arbeits- oder Ausbildungsverhältnissen entstehen, zugewiesen. Der Peer Support stellt eine wichtige Unterstützung und Entwicklungsmöglichkeit in der Begleitung dar. Der Bedarf kommt aus Situationen, in denen Arbeitsassistent_innen oder auch Arbeitgeber_innen/Ausbilder_innen an einem Punkt angekommen sind, an dem sie anstehen oder keinen Zugang zu den autistischen Klient_innen finden. Dies kann auch bei beruflichen oder privaten Problemen der Klient_innen auftreten, die für neurotypische Personen mit ihren Denkmöglichkeiten und Unterstützungsmöglichkeiten schwer zu analysieren, nachzuvollziehen und zu lösen sind (Stichwort: Übersetzungsleistung!).

Alles, was in den Einheiten besprochen wird, ist vertraulich. Der_die Klient_in steht im Mittelpunkt und bestimmt, was nach außen (z.B. an Arbeitsassistent_innen, Arbeitgeber_innen) weitergegeben wird. Dies können Informationen sein, die beruflich oder schulisch relevant sind, oder bei denen die Klient_innen Unterstützung benötigen.

Ich gehe auf die persönlichen und beruflichen Anliegen der Klient_innen ein. Da diese schnell merken, dass ich sie sehr gut verstehe, gleich denke wie sie, sowie ihre Besonderheiten von mir selbst oder anderen autistischen Klient_innen kenne, entsteht meist schnell eine gemeinsame Vertrautheit. Dies ergänze ich durch Strategien, die bei mir oder anderen bereits wirkungsvoll waren, sowie durch Psychoedukation, die mir sehr wichtig ist, auch um gemeinsam die autistischen Stärken und Möglichkeiten kennenzulernen und diese bewusst einzusetzen. Oft entstehen dabei die verrücktesten Konzepte, Ideen, Kompensationsstrategien, die aber meist im speziellen Fall mehr als zielführend sind.

Viele sagen, dass sie sich zum ersten Mal richtig verstanden fühlen. Das ist Peerberatung!

Im Einzelsetting kann man sich weiters auf die Gruppe vorbereiten, insbesondere, wenn man unsicher ist, oder bereits schlechte Erfahrungen (Mobbing) mit Gruppen gemacht hat.

Gruppensetting

Meist treffen wir uns online in einer Gruppe von maximal 5 Autist_innen. Es wird besprochen, was seit dem letzten Gruppentreffen geschehen ist, ob jemand ein besonderes Anliegen hat, oder etwas berichten möchte.

Falls mehrere Rückmeldungen eintreffen, wird abgestimmt, welches Thema weiter ausgeführt werden soll. Im Fokus stehen dabei immer Empowerment, Psychoedukation und Sozialkompetenztraining, meist mit Bezug auf den Arbeits-/Ausbildungskontext.

Bei zu persönlichen Themen, die nicht in der Gruppe besprochen werden können, gibt es die Möglichkeit, direkt im Anschluss mit mir zu sprechen und diese eventuell gruppentauglich aufzubereiten.

In Gruppen, die sich schon etwas kennen, versuche ich, hauptsächlich zu moderieren, die Gruppenmitglieder gleichermaßen und nach ihren individuellen Bedürfnissen einzubeziehen, bei Wortmeldungen zu unterstützen und den Gruppenzusammenhalt zu fördern.

Für viele ist es das erste Mal, dass sie in einer Gruppe nicht ausgeschlossen oder ausgelacht, sondern einbezogen, wertgeschätzt und anerkannt werden.

Sie merken schnell, dass sie mit ihren Erfahrungen und Besonderheiten nicht allein sind und oft gemeinsame Interessen und Wünsche haben. Durch ihre persönliche Expertise können sie sich in der Gruppe gegenseitig Tipps geben und/oder gemeinsam Probleme lösen. So manche Peergruppeneinheit findet außerhalb des Trainings statt (z.B. Simulation einer Mittagspausensituation und mögliche Lösungen). Es ist auch schon so manche Freundschaft oder ein dauerhaftes Unterstützernetzwerk aus einer Peergruppe entstanden. Grandios!

Mit diesem (Selbst-)Bewusstsein und den Erkenntnissen gehen die Teilnehmer_innen gestärkt in die Zukunft.

Was macht den Peer Support so einzigartig?

Die (autistische) Gemeinsamkeit!  Viele berichten, sich zum ersten Mal richtig verstanden gefühlt zu haben und sich dadurch endlich mal wirklich öffnen zu können und infolgedessen ihre innersten Ängste und heimlichen Ziele preiszugeben. Das ist ein großer Vorteil gegenüber anderen Settings.

Außerdem lernen die Klient_innen in mir ein Rollenmodell kennen, die außerdem das Setting spezifisch und individuell auf sie zuschneidet und so als Dolmetscherin, Vermittlerin, Beraterin, Lösungsfinderin und Vertraute dient.

Herausforderungen

Durch das oftmals erstmalige Erleben, wirklich verstanden zu werden, binden sich die Klient_innen oft stark an meine Person.

Für viele ist die Teilnahme außerdem oft emotional sehr fordernd. Erworbene Vermeidungs-oder Ausblendungsstrategien funktionieren in diesem Rahmen sehr häufig nicht.

Im Gruppensetting finden die persönlichen Belange und Anliegen oft nicht den gewünschten Raum bzw. sind für dieses Setting oft nicht passend.

Hilfreich ist es dabei, die Pausen und die Settingdauer sowie die Themenwahl flexibel an die Bedürfnisse der Teilnehmer_innen anzupassen und die Zusammensetzung der Gruppe gut zu überlegen (max. 5 Personen), um Überforderung zu vermeiden.

Zur Autorin: Rita Außerlechner ist akademische Begleitexpertin für Menschen mit Autismus Lebensbedingungen, Dipl. Resilienztrainerin, PEERS® Sozialkompetenztrainerin und angehende Dipl. inklusive Sozialpädagogin sowie Tiermedizinstudentin

NEBA ist eine Initiative des Sozialministeriumservice.

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