re_exposed: Nachhaltige Praktiken in der Fotografie

(c) Maurizio Cirillo: Silberlandschaft

re_exposed: Nachhaltige Praktiken in der Fotografie

Ein Interview mit Gastkurator Aindreas Scholz

Was passiert, wenn man Fotografie entschleunigt – wenn nicht Technik, sondern Sonne, Salz und Zeit die Bilder formen? Der Künstler und Kurator Aindreas Scholz sucht in seiner Arbeit nach nachhaltigen, analogen Wegen des Fotografierens. Gemeinsam mit dem Kollektiv LumenX erforscht er in der Ausstellung „re_exposed“ im WUK, wie alte fotografische Verfahren neues Leben bekommen und eine Antwort auf die Klimakrise bieten können.

Wie kann Fotografie ökologischer werden? Und was passiert, wenn Sonne, Pflanzen und Meerwasser zu Co-Autor*innen eines Bildes werden? Der Künstler und Kurator Aindreas Scholz beschäftigt sich seit Jahren mit nachhaltigen, analogen und kamerlosen Verfahren. Gemeinsam mit dem Kollektiv LumenX, Mitglied des Werkstättenbereichs im WUK, erkundet er in der Ausstellung „re_exposed“, wie traditionelle fotografische Methoden neu belebt und in einen zeitgenössischen, ökologischen Kontext gestellt werden können. Im Gespräch erzählt Scholz von der Faszination für langsame, materielle Prozesse, der poetischen Kraft des Unvorhersehbaren und davon, wie Fotografie in Zeiten der Klimakrise neu gedacht werden kann.

(c) Harald Mairböck

Du beschäftigst dich in deinen Arbeiten schon länger mit dem Thema analoge und nachhaltige Fotografie. Wie bist du auf diesen Themenkomplex aufmerksam geworden und was fasziniert dich daran?

Aindreas Scholz: Mein Interesse an analoger und nachhaltiger Fotografie entstand aus einer tiefen Sorge um den ökologischen Fußabdruck der Bildgestaltung. Ich war fasziniert davon, wie die kamerlosen Techniken des 19. Jahrhunderts, oft langsamer, taktiler und sehr reaktionsfähig, eine andere Beziehung zu Materialien und Orten ermöglichen. Anstatt mich auf mechanische Geräte oder industrielle Chemie zu verlassen, arbeite ich mit Sonnenlicht, Meerwasser und Pflanzenpigmenten und lasse die Umwelt selbst ihre Spuren auf dem Bild hinterlassen. Was mich am meisten fasziniert, ist diese Zusammenarbeit zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteur*innen, eine Form der gemeinsamen Urheber*innenschaft, die neu definiert, was Fotografie in Zeiten der Klimakrise sein kann.

(c) Sophie Pölz: OUR HOUSE

Gemeinsam mit den Künstler*innen Maurizio Cirillo, Harald Mairböck, Kerstin Pfleger und Sophie Pölzl von LumenX beschäftigst du dich bei re_exposed mit der Wiederbelebung traditioneller fotografischer Methoden. Welche Methoden sind das und warum sind sie in Vergessenheit geraten?

Aindreas Scholz: In re_exposed greifen wir analoge und experimentelle fotografische Verfahren auf Gelatinesilberpapier wieder auf, ebenso wie frühe kamerlose Verfahren wie Cyanotypie, Lumen und Anthotypie. Diese Methoden stammen aus der Zeit vor der digitalen Massenproduktion von Bildern, einem System, das von Seltenerdmetallen und dem versteckten CO₂-Fußabdruck industrieller Rechenzentren abhängig ist. Vordigitale Techniken sind aus der Mode gekommen, weil sie zeitaufwändig und unvorhersehbar sind, doch sie bieten einen poetischen Kontrapunkt zum Digitalen. Indem wir sie wiederbeleben, reaktivieren wir eine Sichtweise, die auf Geduld, Sorgfalt und Materialsensibilität basiert.

Im Fokus steht auch die Frage, welche ökologischen Auswirkungen Fotografie hat bzw. haben kann. Kannst du mehr über diese Auswirkungen erzählen? Welche Gedanken kann sich z.B. eine Privatperson machen, die gerne fotografiert aber dabei ökologischer vorgehen möchte?

Aindreas Scholz: Die traditionelle Dunkelkammerfotografie ist mit Schwermetallen, Silbersalzen und chemischen Abfällen verbunden. Selbst die digitale Fotografie ist von der Rohstoffindustrie, hohem Energieverbrauch und Elektroschrott abhängig. Durch ein Umdenken sowohl in Bezug auf den Prozess als auch auf das Material können wir Schäden reduzieren und das Bewusstsein schärfen. Einfache Maßnahmen, wie die Wiederverwendung von abgelaufenem oder belichtetem Papier, das Experimentieren mit pflanzlichen Emulsionen oder das Drucken mit natürlichem Sonnenlicht, ermöglichen es Fotograf*innen, verantwortungsbewusster zu arbeiten und gleichzeitig kreativ zu bleiben.

Wie seid ihr, also du als Gastkurator und die Künstler*innen von LumenX, bei der Konzeption vorgegangen? Was möchtet ihr mit der Ausstellung vermitteln?

Aindreas Scholz: Die Ausstellung entstand aus einem kontinuierlichen Dialog zwischen meiner eigenen Forschung und der Praxis des LumenX-Kollektivs. Jede*r Fotograf*in trägt einen eigenen prozessorientierten Ansatz bei: von Maurizio Cirillos investigativer Nachverfolgung der Silberquellen, die für Fotopapier verwendet werden, über Kerstin Pflegers Anthotypien aus Pflanzenpigmenten bis hin zu Harald Mairböcks Erkundungen von Lichtspuren und Sophie Pölzls Langzeitbelichtungen, die den Rhythmus gemeinsamer Räume einfangen. Zusammen reflektieren diese Arbeiten über Zeit, Transformation und unsere Verbundenheit mit der materiellen Welt. Wir wollten eine Ausstellung schaffen, die lebendig wirkt, einen Raum, in dem Prozess, Verfall und Erneuerung nebeneinander existieren.

(c) Harald Mairböck

Das Publikum ist eingeladen bei einem Workshop mit der kameralosen Fotografie zu experimentieren. Was wird das Publikum erwarten?

Aindreas Scholz: Der Workshop lädt die Teilnehmer*innen dazu ein, die kameralose Fotografie durch direkte Experimente zu erleben. Am ersten Tag erstellen sie experimentelle Cyanotypie-Abzüge unter Verwendung von Sonnenlicht und gefundenen Naturmaterialien. Am zweiten Tag werden diese Abzüge unter Anleitung von zwei erfahrenen Buchbinderinnen zu einem handgebundenen, nachhaltigen Fotobuch verarbeitet. Die Teilnehmer*innen können sich darauf freuen, ein einzigartiges, selbstgemachtes Objekt mit nach Hause zu nehmen, ein Fotobuch, das ihren kreativen Dialog mit Licht, Chemie und der Umwelt verkörpert.


(c) Maurizio Cirillo: Silberlandschaft

re_exposed

Unter der Leitung des Gastkurators Aindreas Scholz beschäftigen sich vier Künstler*innen des offenen Fotolabors Lumen X im WUK mit der Wiederbelebung traditioneller fotografischer Methoden und deren Neuinterpretation durch nachhaltige Praktiken. Die Ausstellung beleuchtet umweltbewusste Bildherstellungsmethoden, die die Normen der digitalen und KI-gesteuerten Fotografie in Frage stellen und eine Rückkehr zu manuellen, taktilen Prozessen befürworten. 

re_exposed stellt sich eine Zukunft vor, in der die Kunst der Fotografie mit ökologischem Bewusstsein in Einklang gebracht und analoge Handwerkskunst mit dringenden zeitgenössischen Anliegen verbunden wird. Mit Arbeiten von Maurizio Cirillo, Harald Mairböck, Kerstin Pfleger, Sophie Pölzl und Aindreas Scholz.

Fr 24.10. bis Mi 29.10.2025
Projektraum

Weitere Infos

Wir freuen uns sehr, dass wir die Durchführung der Ausstellung “re_exposed” als „transversales Projekt“ im WUK unterstützen können. Der „WUK Transversale Topf“ dient der Förderung von bereichsübergreifenden Projekten, die im Haus stattfinden, und wird jährlich mittels internem Call ausgeschrieben.

LumenX im WUK

LumenX ist eine Werkstätte für selbstständiges künstlerisches Arbeiten. Es steht eine analoge Dunkelkammer für Filmentwicklung und für das Vergrößern von Negativen zur Verfügung. Negativformate bis 13x18cm können verarbeitet werden, hauptsächlich in Schwarzweiß, in geringerem Umfang auch in Farbe. Zwei weitere Räume können flexibel als Studio/Atelier oder für Ausstellungen genutzt werden.

Mehr Infos zu LUMenX

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