Die Zukunft als kollektive Praxis

Workshop ubanize!: Practising Utopia, (c) Simon Wesenauer

Die Zukunft als kollektive Praxis

Ein Interview von Sabina Haas mit Natalia Matsenko und Yuri Yefanov

Die Kuratorin und Kunstkritikerin Natalia Matsenko sowie der Künstler und Filmemacher Yuri Yefanov arbeiten mit gemeinschaftlichen Prozessen, um virtuelle Utopien zu erschaffen. Von September bis Oktober 2025, waren sie Teil des Künstler*innen- und Research-Residenzprogramms in der kex—kunsthalle exnergasse.

Lesezeit: ca. 3 Minuten

Die Kuratorin und Kunstkritikerin Natalia Matsenko sowie der Künstler und Filmemacher Yuri Yefanov arbeiten mit gemeinschaftlichen Prozessen um virtuelle Utopien zu erschaffen. Von September bis Oktober 2025, waren sie Teil des Künstler*innen- und Research-Residenzprogramms kex—residency in der kunsthalle exnergasse. 

Workshop ubanize!: "Practising Utopia" (c) Simon Wesenauer

Im Rahmen ihres Aufenthalts leitete das ukrainische Duo den Workshop Practising Utopia: Speculative Urban Planning – eine multimediale Erkundung urbaner Utopien. Dieser fand als Teil des diesjährigen Urbanize!-Festivals statt. Die Teilnehmenden des Workshops waren eingeladen, gemeinsam zu spekulieren; dabei entstanden verschiedene Grätzl-Utopien. Die Zukunftsvisionen wurden später zu einer virtuellen Landschaft collagiert, die mit einer Game Engine interaktiv erlebbar gemacht wurde.

Ich treffe Natalia und Yuri im kex—studio. Sie erzählen mir von ihrem Aufenthalt, sich wandelnden Vorstellungen von Zukunft und der Rolle der Kunst in unsicheren Zeiten. 

Ihr beschäftigt euch schon länger mit dem Thema Zukunft und der Methode des „Speculative Futuring“. Was ist der Ausgangspunkt eurer Auseinandersetzung damit?

Yuri: Das 20. Jahrhundert hat die Frage nach der Zukunft vor allem als Gestaltungsfrage verstanden: ‚Welche Zukunft wollen wir?‘  Für uns stellte sich nach der Großoffensive Russlands auf die Ukraine zunächst die grundlegendere Frage: Haben wir überhaupt eine Zukunft? Es wurde zu einer Notwendigkeit, sich mit der Zukunft auseinanderzusetzen. Sie erschien uns noch ungewisser als ohnehin schon – umso mehr wollten wir uns damit beschäftigen. In unseren Gesprächen über die Bedeutung der Zukunft sprachen wir auch darüber, dass wir in einer Zeit geboren wurden, als das sogenannte ‚Osteuropa‘, das große Projekt der Zukunft, in sich zusammenfiel. Ausdrücke wie ‚leuchtende Zukunft‘ tragen daher eine Last für uns, da wir sie aus propagandistischen Parolen kennen.

Screenshot vom Workshop Practising Utopia (c) Natalia Matsenko & Yuri Yefanov

Warum ist euch die kollektive Auseinandersetzung mit der Zukunft wichtig?

Natalia: Zukunft entsteht immer gemeinsam. Deshalb macht es Sinn, mit anderen darüber zu sprechen, ihre Vorstellungen zu hören und sie zu visualisieren – so wird der Prozess zur Forschung. Durch unsere Arbeit sind wir viel unterwegs und führen den Dialog über die Zukunft oft auch außerhalb unserer eigenen Bubble. Je nachdem, wo ein Workshop stattfindet und welche Gruppe oder Community daran teilnimmt, unterscheiden sich die Ergebnisse. Das macht sie vielfältig und die Zukunft gewinnt an Volumen. Im Urbanize-Workshop haben wir die Teilnehmenden gebeten, sich speziell mit ihren eigenen Wohnvierteln auseinanderzusetzen. So können wir die Zukunft sehr konkret und lokal betrachten. Die persönlichen Beiträge machen das abstrakte Konzept der Zukunft greifbarer.

Inwiefern eröffnen virtuelle Räume neue Wege der Zusammenarbeit oder des Austauschs?

Natalia: Ein Ort, der ursprünglich nur in unserer Vorstellung existiert hat, wird durch die Übersetzung ins Digitale zu einem geteilten Erlebnis. Mithilfe von digitalen Technologien können wir Vorstellungen nicht nur visualisieren, sondern auch interaktiv machen. So lassen sich ganze Welten erschaffen, die Menschen aus unterschiedlichen Orten und Kontexten miteinander verbinden. Und das alles mit einer Geschwindigkeit und Flexibilität, die man auf anderen Wegen kaum erreichen könnte.

Yuri: Das Besondere ist, dass man in der digitalen Umgebung ein Erlebnis hat, das der realen Erfahrung eines Ortes sehr ähnlich ist. In der spekulativen Phase unseres Workshops geht es erst mal nur darum, theoretische Szenarien zu besprechen. Aber sobald wir die Ideen virtuell umsetzen, können die Teilnehmer*innen in ihre eigenen Vorstellungen eintauchen und andere daran teilhaben lassen.

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Short preview of the 3D visualisation of one of the workshop outcomes © Yuri Yefanov

Wie versteht ihr die Rolle von Hoffnung in eurer Arbeit?

Yuri: Pessimismus bedeutet, die eigene Ausweglosigkeit anzuerkennen. Wer so denkt, akzeptiert, dass Krisen in Katastrophen enden. Optimismus dagegen ist die Suche nach Möglichkeiten. Wir sehen Hoffnung nicht als Naivität sondern als etwas Strategisches. 

Und ihr ladet die Menschen ein sich durch Kunst diese Möglichkeiten vorzustellen?

Natalia: Manchmal schafft Kunst Innovation, die andere Disziplinen nicht liefern. Sie ist flexibler und weniger an Vorgaben gebunden. Kunst ist synthetisch – sie kann Fragmente von Wissen aus verschiedenen Bereichen zusammenführen. Es wäre utopisch zu behaupten, Kunst sei völlig frei; sie steckt immer in einem Geflecht von Konventionen. Aber Kunst kann zumindest versuchen frei zu sein und manchmal gelingt es. 

Danke. 

Sabrina Haas ist Absolventin des Studiengangs Social Design an der Universität für Angewandte Kunst Wien, und macht gerade ein Praktikum in der kex—kunsthalle exnergasse. Das Praktikum findet im Rahmen der WUK Arbeitsassitenz statt. 

Weitere Einblicke in Natalia und Yuris künstlerische Praxis hier
@yuri_yefanov
@uncertainata

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