Die Welt im Ohr

Die Welt im Ohr

Podcasts auf dem Vormarsch

Was können die Audio-Shows und was steckt hinter dem Podcast-Hype?

Podcasts sind auf dem Vormarsch. Man braucht nur eine kleine App auf dem Handy und ein Paar Kopfhörer, um sich die ganze Welt ins Ohr zu holen. Was können die Audio-Shows und was steckt hinter dem Podcast-Hype?

Egal ob zum täglichen Nachrichtenüberblick, für Politinterviews, Krimis, zum Popkulturplausch oder für einen Deep Dive über Netzpolitik – es gibt für jeden und jede den richtigen Podcast. Das Audioformat erlangte in den vergangenen drei Jahren nie dagewesene Popularität. Dazu trugen absolut gehypte Formate wie der amerikanische True Crime-Podcast "Serial" bei, dessen dritte Staffel in der ersten Woche 16 Millionen Mal heruntergeladen wurde. In Anbetracht einer Technologie, die nicht ganz neu ist, ist die plötzliche Begeisterung überraschend. Und außerdem: Leben wir nicht in einer Zeit immer kürzer werdender Aufmerksamkeitsspannen und kurzlebigen Micro Contents? Wie passen da langwierige Audioprogramme hinein?

Radio on Demand

Podcasts sind Audioprogramme, die man in einer App abonnieren und je nach Bedarf abrufen kann. Im Gegenteil zu Radio werden sie also nicht rund um die Uhr ausgestrahlt, sondern man kann gewünschte Sendungen hören, wann und wo es einem am besten passt – ähnlich wie Netflix bei Fernsehsendungen. Die Software, mit der man Podcasts hören kann, wird Podcast Client genannt. Sie lädt regelmäßig und automatisch die neuesten Episoden der abonnierten Podcast Feeds herunter.

Eine kleine Rundfunkgeschichte

Technisch möglich ist das Konzept seit dem Jahr 2000 dank dem Software-Entwickler Dave Winer. Erst im Jahr 2004 erfand der britische Technologiejournalist Ben Hammersley den Kofferbegriff Podcast, der sich aus "iPod" und "Broadcast" zusammensetzt. Während die Podcast-Landschaft in den Anfangsjahren noch weitgehend von Amateurproduzent_innen und Nischenthemen wie Technologie, Musik oder Filmen dominiert war, machten schon bald die großen öffentlichen Radiostationen wie BBC, CBC Radio One und NPR ihre Programme via Podcast verfügbar. So auch der ORF: Viele Ö1-, FM4- und Ö3-Sendungen sind abrufbar.

Podcasts zu hören ist fast immer kostenlos, neben der Apple Podcast App, die auf jedem iPhone vorinstalliert ist, sind Pocket Cast, Overcast, Castbox, AntennaPod oder GooglePodcasts beliebte Apps. Außerdem kann man auf Musikstreaming-Diensten wie Spotify Podcasts hören.

Das goldene Audiozeitalter

"Radio ist tot", erklärte der Podcast-Namensgeber Ben Hammersley bei den Radiodays Europe im März 2018. "Aber wir leben im goldenen Audiozeitalter. Mehr Menschen als je zuvor hören Audio und es gibt eine nie dagewesene Vielfalt an Programmen!" Der Audiorausch lässt sich auch in Zahlen ausdrücken: Laut dem Marktforschungsinstitut Edison Research hören per 2018 26 Prozent der Amerikaner_innen monatlich Podcasts. Die Podcast-Hörerschaft ist in den letzten Jahren kontinuierlich um 10 bis 20 Prozent im Jahr gewachsen. In Deutschland hören 13 Prozent der Onliner ab 14 Jahren Podcasts. Das sind rund 7,5 Millionen Menschen, ergab die ARD/ZDF-Online-Studie 2016. Vergleichbare Zahlen für Österreich gibt es nicht. In Anbetracht des stetig wachsenden heimischen Angebots ist aber davon auszugehen, dass der Trend auch hierzulande angekommen ist. Woran liegt das?

Medienkonsum im Zeitgeist

Obwohl der Podcast-Trend bereits vor zehn Jahren einmal kurz aufflackerte, schienen sich Konsumenten_innen dann lieber auf Social Media-Inhalte zu konzentrieren. Zehn Jahre später sind viele Menschen müde davon, ständig auf Bildschirme zu starren und endlos zu scrollen. Audioformate bieten eine erfrischende Abwechslung. Außerdem haben viele Nutzer_innen genug vom linearen Programm. Sie wollen selbst entscheiden, was sie hören. Medienjournalist Sandro Schröder vom Deutschlandradio sieht hier denselben Trend wie beim Fernsehen: Beim Autofahren, im öffentlichen Verkehr, beim Joggen oder Wäscheaufhängen läuft immer öfter ein Podcast anstatt dem Radio. Hörer_innen wählen ihr Programm sehr bewusst aus und hören aktiv zu. Es dient fast nie der Hintergrundbeschallung. Das gesprochene Wort lässt oft differenziertere Analysen zu als kurze Artikel, die man zwischendurch in der U-Bahn liest. Dementsprechend kann man sich auch auf der dreißigminütigen Fahrt zur Arbeit halbwegs tief auf ein Thema einlassen.

Für jeden etwas

Bis vor kurzem gab es laut Schröder, der sich schon länger mit dem Thema beschäftigt, hauptsächlich zwei Bereiche, die den Markt prägten: "Langjährige Podcaster wie beispielsweise Tim Pritlove, die meist sehr ausführliche Gespräche, Interviews oder Unterhaltungen aufnehmen und damit eine treue Hörerschaft aufgebaut haben. Und zweitens Radiosender, die Podcasts als weiteren Ausspielkanal nutzen." Seit Anfang 2017 drängen auch vermehrt Online- und Printmedien auf den Podcast-Markt. Denn mit einigermaßen günstigem Equipment lässt sich bereits ein guter Podcast produzieren: Mikrofon und Schnittsoftware reichen. Die New York Times, Der Spiegel und Die Zeit, sie alle produzieren ihre eigenen Podcasts. Seit 2016 gibt es in Deutschland sogar ein eigenes Podcast-Label Viertausend Hertz, das sich mit aufwendigen Produktionen nach amerikanischem Vorbild versucht.

Das Podcast UFO am 26. Februar 2019 im WUK

Erklär mir die Welt

Der österreichische Markt kam vor allem in den vergangenen eineinhalb Jahren in Bewegung. Zu den wichtigsten Podcasts gehört das Falter Radio mit ORF Korrespondenten Raimund Löw, bei dem aktuelle gesellschaftliche Themen und Falter-Stories behandelt werden. "Ganz Offen Gesagt" wird von den Politikjournalist_innen Julia Ortner, Sebastian Krause und bis vor kurzem Eva Weissenberger gemacht, die wöchentlich Politiker_innen und Expert_innen interviewen. Die Bloggerin Madeleine Alizadeh spricht in "A Mindful Mess" über Nachhaltigkeitsthemen, YouTuber und Kabarettist Michael Buchinger hat sich mit "Buchinger’s Tagebuch" an einem Plauderpodcast probiert und Standard-Redakteur Andreas Sator will mit "Erklär mir die Welt" die Welt aus unterschiedlichen Perspektiven verstehen. Der Titel könnte dabei stellvertretend für den Podcast-Trend stehen. Denn grob könnte man sagen, das Medium steht für bewussten Medienkonsum statt abwesendem Scrollen, Langformate statt Aufmerksamkeitsspitzen und differenziertes Erklären statt kurzen Überschriften.

Das Podcast UFO macht am 26. Februar 2019 Halt im WUK. Die Veranstaltung im Rahmen der "Gibt's auch später noch umsonst als Podcast"-Tour ist restlos ausverkauft.

Text: Teresa Havlicek
Foto: bruce mars on Unsplash

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