Was gibt es hier zu feiern?

Was gibt es hier zu feiern?

Echte Parties für fette, queere und behinderte Menschen

Ein leidenschaftlicher Aufruf für echte, befreiende Partys, in denen fette, queere und behinderte Menschen einfach da sein dürfen – mit Freude, Glanz und ohne Rechtfertigung. Feiern als politischer Akt gegen Ausgrenzung, Leistungsdruck und Körpernormen.

Lesezeit: ca. 8 Minuten

Ich komme gerade vom morgendlichen Doomscrolling. Hab’s kurz gehalten. Nur schnell nachsehen, ob’s immer noch schlimm ist. Spoiler: Ist es. Und inmitten all dessen frage ich mich – dürfen wir eigentlich feiern? Und wenn ja: Wer genau? 

Feiern und Disziplin 

Denn dieses Feiern, laut, schön, hemmungslos – das scheint irgendwie nur bestimmten Leuten zuzustehen. Der Rest? Soll bitte dankbar, demütig, leise sein. Wer tanzt, obwohl die Welt brennt, muss sich rechtfertigen. Besonders, wenn der Körper nicht ins Bild passt: nicht diszipliniert genug, nicht normschön, nicht bescheiden genug. Besonders dann, wenn Lebensfreude nicht als Leistung erscheint, sondern einfach so da ist. 

Wir leben in Gesellschaften, in denen Genuss skeptisch beäugt wird. Genuss ist kein Grundrecht, sondern etwas, das man sich verdienen muss. In christlich geprägten Demokratien wird Verzicht zur Tugend erklärt. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Erst der Schmerz, dann die Erlösung. Wer sich nicht nach diesen Regeln richtet, gilt schnell als unsolidarisch oder übergriffig. Wer Freude zeigt, obwohl sie*er nicht genug geleistet hat – oder schlimmer noch: obwohl sie*er nicht dem Ideal eines tugendhaften, produktiven Körpers entspricht – die*der provoziert. 

Wer ernstgenommen werden will, muss ernst sein

Diese Logik trifft bestimmte Körper besonders hart. Fette Körper. Queere Körper. Behinderte Körper. Körper, die sich nicht verstecken, sondern zeigen. Körper, die sich ausbreiten, Platz brauchen, sich bewegen, schwitzen, begehren. Ihre Freude wird nicht bewundert, sondern belächelt, pathologisiert oder geächtet. Und die Räume, in denen diese Körper sich verbinden dürfen, werden extrem begrenzt. Wenn viele fette oder behinderte Menschen miteinander in der Öffentlichkeit sind, wird sofort angenommen, dass es sich um eine Art politischer Zusammenkunft handeln müsste. Tatsächlich begegnen und verbinden wir uns als Queers, Aktivist* innen, Fatties und so weiter auch oft in Zusammenhängen, in denen Identitätspolitik und damit diese Verbindung im Vordergrund steht. Und das heißt, dass der Teil unseres Lebens im Vordergrund steht, der ernst ist, weil wir einen Schmerz teilen und die gleichen ausschließenden, anstrengenden und unangenehmen Erfahrungen machen. Es gibt ein bestimmtes Anspannungsgefühl in diesen Räumen. Und in den Körpern, die diese Kämpfe miteinander kämpfen. In Räumen wie diesen verfolgen wir alle ein Ziel. Wir sprechen, bewegen und verhalten uns dementsprechend zielgerichtet. Ausgelassenheit ist nicht zielgerichtet. Sie will eben genau das nicht sein. Ausgelassenheit erlaubt uns, einfach zu schwätzen, rauszufinden wer gut singen kann, wer gern tanzt und was das Lieblingsgetränk unserer Mitstreiter*innen ist. Es ist so selten, dass sich solche Körper und die Menschen, die sie bewohnen, gemeinsam lösen von dem ganzen Schmerz, der ihnen widerfährt. 

Was uns Fettaktivismus über Genuss lehren kann

Und doch ist genau diese Freude politisch. Im Fettaktivismus, wie ich ihn kenne, gibt es etwas, das mich sehr befreit hat: Genuss. Und dieser Wunsch nach Genuss hat eine sehr wichtige politische Herkunft. Er richtet sich gegen die Körperfeindlichkeit und den Arbeits- und Leistungsfetisch, den dicke und fette Körper Tag für Tag erleben. Denn das Zentrum der Fettfeindlichkeit ist: Dein Körper darf nicht existieren, wie er ist. Und wenn er existiert, soll er sich ändern. Es gibt keine Schönheit und keinen Genuss für dich, solange du nicht damit einverstanden bist, dich zu kontrollieren. Gegen diese Art von Kontrolle aufzubegehren, ist, was ich im Fettaktivismus und in Verbindung und Beziehung mit anderen Fettaktivist*innen erlebe. Aufhören, wenn man erschöpft ist. Witze reißen. Dinge organisieren, an denen man selbst auch teilhaben will. Gemeinsam Teilhabe ermöglichen, weil es schön ist, das zu tun. Sich als ganze Menschen begegnen statt nur als Kämpfende und Leidende. 

Die Feste feiern, wenn wir fallen

Denn was sagt es über eine Gesellschaft aus, wenn bestimmte Körper sich ihre Lust, ihre Kunst, ihr Tanzen, ihr Dasein erst durch Disziplin oder Ernsthaftigkeit erarbeiten sollen – während andere es einfach geschenkt bekommen? Was sagt es über Demokratie aus, wenn Teilhabe zwar theoretisch allen offensteht, praktisch aber an Leistung, Anpassung und Körperkontrolle gekoppelt ist? 

Demokratie, wie sie oft verstanden wird, verspricht Gleichheit. Aber was sie häufig produziert, ist ein grausamer Optimismus, der suggeriert: Wenn du dich nur genug anstrengst, passt du schon rein. Wenn du nur genug an dir arbeitest, wirst du irgendwann dazugehören. 

Was, wenn Genuss – echter, unvermittelter, grundloser Genuss – der Ort ist, an dem wir beginnen, uns diese Gesellschaft nicht mehr gefallen zu lassen? 

Ich glaube, dann geschieht etwas Magisches, das nur Freiheit und Genuss können. 

In dieser Freiheit passiert, dass wir aufhören, unsere Körper zu lesen wie Projekte. Oder, dass wir uns selbst nicht mehr nur im Spiegel der gesellschaftlichen Erwartungen sehen. Vielleicht, nach ein paar Stunden, Tagen oder Monaten, beginnen wir uns selbst nicht mehr zu korrigieren, glätten, zensieren – sondern einfach sein zu lassen. Ein dicker Bauch, der sich beim Lachen bewegt. Ein Körper, der langsam tanzt, mit weichen, schweren Bewegungen. Eine Hand, die über den eigenen Bauch streichelt und es genießt. Eine Haut, die glänzt und nicht abgewischt werden muss. Vielleicht ist das alles keine Störung, sondern eine Praxis von Freiheit, die entfaltet werden kann, wenn wir ihr Raum bieten. Das Ziel sollte sein, dass wir uns (selbst) öfter wie ganze Menschen begegnen, wenn wir miteinander eine Welt, eine Gegenöffentlichkeit oder einfach einen schönen Ort schaffen wollen. Und auch einfach so, weil es sich gut anfühlt – und das so wichtig ist. 

Und daraus folgt: Wir wollen kein Feiern, das ignoriert. Wir wollen ein Feiern, das antwortet. Ein Feiern, das ernst nimmt, dass wir in dieser Welt leben – aber sie auch nicht einfach so hinnehmen. Ein Feiern, das befreit, nicht betäubt. Kein Eskapismus, sondern Widerstand. Kein Trotz, sondern Zärtlichkeit. Eine politische Geste der Freude, gegen eine Welt, die uns klein, dünn, flach, schlecht gelaunt und angespannt halten will. 

Grau ist alle Theorie: Feiern statt vereinzeln

Dies ist eine Einladung. Zu einer Party. Einer echten. Für fette, queere, behinderte Menschen. Für all die Körper, die sich sonst in dunkle Ecken drängen müssen, wenn sie tanzen wollen. Für alle, denen gesagt wurde, sie seien zu laut, zu weich, zu viel. Für alle, die ihre Angst mitbringen und ihre Lust auch. Für alle, die einfach da sein wollen, ohne sich entschuldigen zu müssen.

Zieh dein Lieblingsoutfit an. Das bequeme oder das knallige. Komm mit all deinem Glanz, deinem Zweifel, deinem Schweiß, deiner Müdigkeit. Bring dein ganzes Gewicht. Bring deine Freund*innen. Bring deinen Hunger. Bring dich ganz mit. 

Text: Lydia Kray und Luise Gonca Demirden

Lydia Kray (Autorin) ist Medienwissenschaftlerin, Autorin und Fettaktivistin. Zu ihren Arbeiten zählen der Essay „Ist Fett Queer?“ in „Realitäten: 30 queere Stimmen“ sowie die mehrsprachige Gedichtsammlung „Die Riesin“ (Edition Assemblage 2021). Lydia beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit Themen wie queerem und fettem Widerstand, Care und künstlerischem Ausdruck als Mittel gesellschaftlicher Veränderung. Gemeinsam mit Luise Gonca Demirden ist sie Herausgeberin des Mega-Zines „tracing back the steps of our fat liberation“. 

Luise Gonca Demirden (Co-Autorin) ist Fettaktivistin und Mitorganisatorin des ersten emanzipatorischen FatCamps in Deutschland. Ihr Engagement konzentriert sich auf den Abbau von gewichtsbasierter Diskriminierung im Gesundheitssystem und die Erforschung der Verschränkungen von Fettfeindlichkeit, Queerness, Sexismus, Rassismus und Ableismus. Ihre Arbeit wurde unter anderem in der TAZ und im Missy Magazine veröffentlicht. Gemeinsam mit Lydia Kray ist sie Herausgeberin des Mega- Zines „tracing back the steps of our fat liberation“.

ThiccPhatUTOPIAS - unê fete!

Details & Tickets

Feiern als widerständige Praxis! ThiccPhatUTOPIAS – une fête! bringt BIPoC-Power, trans-joy und queer-feministische Clubkultur auf die Bühne an einem Abend gegen Fettfeindlichkeit, Rassismus und LGBTQAI+-Hass.
Mit: XING, FONCÉ, Barbara Butch, S T O R M und die Dance-Crew FATitude (von Ina Holub)

Sa 10. Mai | 20:00 Uhr, Saal

Eine Koproduktion von Dshamilja Gosteli vom Referat Genderforschung der Universität Wien und WUK performing arts.
Gefördert wird thiccPhatUTOPIAS – une fête durch die mdw (Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Stabstelle Gleichstellung, Gender und Diversität) und weitere.


Do 1. / Fr 2. / Sa 3. Mai | 19:30 Uhr

Saal

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ThiccPhatUTOPIAS – une fête!

Party / Performance / DJ

Sa 10. Mai | 20:00 Uhr

Saal

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Dutzis ESC-VAGANZA! Live Drag Show 2025

Anschließend Eurovision Public Viewing & Party

Sa 17.5.2025
19.30 Uhr

Saal

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Pride Rage 2025! Queerleading into Pride Month!

Wrestling / Drag / Comedy / Party

Mi 28. Mai | 21:00 Uhr

Saal

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Grow out | herauswachsen

Material für die nächste Schicht

5. - 7. Juni 2025

Saal

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