Die WERKSCHAU der FOTOGALERIE WIEN feiert 30-jährigen Geburtstag

© Michael Michlmayr

Die WERKSCHAU der FOTOGALERIE WIEN feiert 30-jährigen Geburtstag

Rückblick und Entwicklung von Petra Noll-Hammerstiel

Seit 1996 widmet die FOTOGALERIE WIEN ihre jährliche WERKSCHAU einer Persönlichkeit, die die künstlerische Fotografie und neue Medien in Österreich prägt. 2025 feiert das Format mit Sigrid Kurz seine 30. Ausgabe – und drei Jahrzehnte fotografischer Zeitgeschichte.

Lesezeit: ca. 10 Minuten

Im Jahr 1996 hat die FOTOGALERIE WIEN, 15 Jahre nach ihrer Gründung, die Reihe WERKSCHAU mit einer Überblicksausstellung der Künstlerin und engagierten Kulturjournalistin Jana Wisniewski begonnen. Nun feiert sie mit Sigrid Kurz ihre bereits 30. Ausgabe. 

Person mit langem Haar trägt eine Kopfbedeckung aus einer Zeitung
1996: WERKSCHAU I_ Jana Wisniewski, Selbstporträt von 1981, Archiv FOTOGALERIE WIEN

Pionierarbeit und Gründungsidee

Die Geburt der WERKSCHAU war „echte Pionierarbeit der Galerie“, erinnert sich Susanne Gamauf, frühes Mitglied des Kollektivs und langjährige Obfrau. Von außen wurde diese Aktivität damals vielfach als Museumsarbeit angesehen. „Wir haben getan, was Museen versäumt haben.“ Bis heute haben sich einige damals beschlossene Charakteristika der WERKSCHAU erhalten. Sie findet einmal jährlich statt – zu Beginn im Februar, dann im Juni/Juli und mittlerweile im Oktober, wodurch die Vienna Art Week oder Foto Wien mit im Boot sind – und ist jeweils als Einzelausstellung konzipiert. Im konsequenten Wechsel werden jeweils eine Künstlerin bzw. ein Künstler präsentiert, ausgewählt von einem basisdemokratischen kuratorischen Kollektiv. Hauptkriterium ist, dass Künstler*innen gezeigt werden, die wesentlich zur Entwicklung der künstlerischen Fotografie und neuen Medien in Österreich beigetragen haben. „Auf die Idee kamen wir damals“, erzählt Susanne Gamauf, „weil ganz viele der bekannten und wegbereitenden österreichischen Fotokünstler*innen davor keine großen und/oder retrospektiven Einzelausstellungen hatten“. Es fehlte auch viele Jahre nach der Gründung der FOTOGALERIE WIEN immer noch an Ausstellungsmöglichkeiten und gefestigter Akzeptanz der Fotografie. In Museen wurde kaum Fotografie im großen Stil gezeigt; eine Ausnahme war seit 1983 das Rupertinum Salzburg, wo Otto Breicha bereits von Anfang an die „Österreichische Fotogalerie“ einrichtete, leitete und eine Sammlung aufbaute. 

Zu den frühen WERKSCHAU-Künstler*innen gehörten einige, die sich damals neben ihrer künstlerischen Arbeit pionierhaft für die Institutionalisierung von Fotografie engagiert haben. So hatten, um nur einige zu nennen, Manfred Willmann die „Camera Austria“ in Graz gegründet (1980), Heinz Cibulka „FLUSS“ in Wolkersdorf (1989) und Friedl Kubelka die Schule für Künstlerische Photographie in Wien (1990).
 

Publikationen und textliche Begleitung

Von Beginn bis heute erscheint – neben dem BILDER-Magazin – immer auch ein gemeinsam mit Kollektiv und Künstler*in erarbeiteter, von der FOTOGALERIE WIEN herausgegebener WERKSCHAU-Katalog im Umfang von 40 Seiten im Format 29,7 x 21 cm auf Deutsch und Englisch mit ISBN-Nummer. Ausgestattet sind diese mit Texten wichtiger Fototheoretiker*innen – u.v.a. immer wieder gerne Ruth Horak – der jeweiligen Zeit, die die Künstler*innen jeweils selbst auswählen können und die auch die Eröffnungsreden halten. Fixpunkt ist ebenso die erstmals 2002 von der FOTOGALERIE WIEN zur WERKSCHAU von Renate Bertlmann herausgegebene, handsignierte Edition. Seit 2003 gab es begleitende sogenannte Werkstattgespräche, die ab 2018 in Künstler*innengespräche umgetauft wurden.

Weißer Ausstellungsraum mit großen Schwarz-weiß-Porträts an der linken Wand, farbigem Bild in der Mitte und mehreren Zeichnungen an der rechten Wand, Tische mit Stühlen rechts
2008: WERKSCHAU XIII_INTAKT – Die Pionierinnen, Ausstellungsansicht, Foto: Michael Michlmayr

Arbeiten von … bis …

Die WERKSCHAU als Überblicksausstellung zu gestalten, gehörte in der Frühzeit fix zum Konzept des Formats; dementsprechend trugen die Ausstellungen meist nur den Untertitel „Arbeiten von … bis …“. Wie sehr die Künstler*innen sich danach sehnten, einmal eine große Bandbreite ihres Werks präsentieren zu können, zeigt schon die zweite Ausstellung von Manfred Willmann 1997, „der einfach endlich „alles“ zeigen wollte und auch den Projektraum mitbespielte“ (Arbeiten 1971–1996), erzählt Susanne Gamauf. Von VALIE EXPORT, Performance-, Film- und Fotokünstlerin, wurde 1998 eine Ausstellung mit ausschließlich fotografischen Arbeiten (1971–1998) gezeigt – „so etwas gab es zuvor noch nie von ihr“, so Susanne Gamauf. Und Elfriede Mejchar, die „Grande Dame der österreichischen Fotografie“, konnte im Jahr 2000 endlich neben ihren fotodokumentarischen Auftragsarbeiten für das Bundesdenkmalamt ihre konzeptuellen und experimentellen Arbeiten (1950–1999) zeigen. Renate Bertlmann war mit ihren provokant-feministischen Arbeiten in den 1970er-/1980er-Jahren sehr präsent. Am Anfang der 2000er-Jahre war es leiser um sie geworden, weshalb, so Susanne Gamauf, „ihre WERKSCHAU 2002 eine Art Wiederentdeckung“ war, die sich Jahre später auszahlte: Im Jahr 2019 hat Bertlmann den Österreichischen Pavillon auf der 58. Biennale in Venedig bespielt, das erste weibliche Solo dort. 

Der Gründer der FOTOGALERIE WIEN, Josef Wais, bestritt die WERKSCHAU 2003 mit Werken aus knapp 40 Jahren und einem Werkstattgespräch mit eigenen „Texten und Tönen“. Er war „abgesehen von seinem umfangreichen, fotografisch-innovativen Oeuvre und seiner Vielfältigkeit künstlerischer Ausdrucksformen (…) eine der schillerndsten Figuren innerhalb der österreichischen Fotoszene“, urteilte damals Carl Aigner in der Pressemitteilung. In Wais‘ Katalog ist neben eigenen Texten auch ein Beitrag von Bodo Hell zu finden. 

Drei Personen stehen in einem Ausstellungsraum mit schwarz-weißen Fotografien und Bildern an der Wand.
2003: WERKSCHAU VIII_ Josef Wais, Josef Wais und Susanne Gamauf mit Sohn Emil, Archiv FOTOGALERIE WIEN

Ein Trolli voller WERKSCHAU

Zunächst für Verwunderung sorgte Friedl Kubelka ein Jahr später. Sie kam nur mit einem Trolli und bezeichnete dessen Inhalt vor dem Kollektiv als ihre WERKSCHAU. Resultat war eine umfangreiche Retrospektive (1963–2003), die „so vieles umfasst hat, was sie bisher nicht gezeigt hat.“ (Monika Faber in der Pressemitteilung)

Inge Dick präsentierte in ihrer WERKSCHAU 2009 Arbeiten aus den Jahren 1989–2007 – eine reine Fotoausstellung mit den für sie typischen großformatigen Polaroids, begleitet von einer Klanginstallation von Roland Dahinden.

Eine Besonderheit war die Ausstellung der Gruppe INTAKT – Die Pionierinnen (2008), Vorreiterinnen der Anfangsjahre (1975–1985) aus den Bereichen Performance, Fotografie, neue Medien und Film: Renate Bertlmann, Moucle Blackout, Linda Christanell, Lotte Hendrich-Hassmann, Karin Mack, Margot Pilz und Jana Wisniewski – eine erneute Sichtbarmachung und Diskussion erbrachter künstlerischen Leistungen, die in vieler Hinsicht ihrer Zeit voraus waren. Wie zum Beispiel: medienüberschreitendes Arbeiten, Arbeiten im Bereich künstlerischer Fotografie und neuer Medien, Themen wie Political Correctness, Frauen & Arbeitswelt, Gender … und dies bereits in den 1970er-/1980er-Jahren.
 

Gruppe von Menschen in einem Ausstellungsraum mit goldfarbenen Engelsflügeln an der Wand und einem Tisch mit Nähmaschine im Vordergrund.
2010: WERKSCHAU XV_Lisl Ponger, li.: Lisl Ponger, Archiv FOTOGALERIE WIEN

Aus der Deponie der Fotografie

Immer häufiger sind WERKSCHAU-Ausstellungen nicht mehr retrospektiv ausgerichtet, sondern basieren auf einem von den Künstler*innen vorgeschlagenen, meist mit einem Titel versehenen Konzept, das mit dem Kollektiv diskutiert, gemeinsam weiterentwickelt und realisiert wird, oft mit ausstellungsarchitektonisch großem Aufwand. Zudem ging die Tendenz im Laufe der Zeit – nachdem man zunächst der Fotografie Anerkennung als Kunstsparte schaffen wollte – immer mehr hin zu installativen, filmischen und interdisziplinären Projekten, wobei Fotografie bzw. die theoretische Auseinandersetzung damit aber immer wichtiger Teil der Ausstellungen blieb.

Lisl Ponger gestaltete 2010 keine Retrospektive im klassischen Sinn, sondern eine Art „dekonstruierte Werkschau“, wie sie es nannte, eine aufwändige installative Arbeit, bestehend aus einem Fotostudio, einer Dunkelkammer und einem Kino. Hans Kupelwieser, bekannt als Vertreter eines „erweiterten“ Skulpturenbegriffs, präsentierte zwei Jahre später raumgreifende Objektarbeiten in Verbindung mit Fotogrammen. Auch PRINZGAU/podgorschek (2015) und Robert F. Hammerstiel (2017) entwarfen völlig unterschiedliche interdisziplinäre Raumkonzepte bzw. (Video-)Installationen. Minimalistisch und rein fotografisch dagegen konzipierte Ingeborg Strobl: Sie suchte 2013 für ihre WERKSCHAU aus ca. 40 Jahren jeweils ein Foto aus – Lebensstationen mit Ortsangaben und Texten – und präsentierte diese tagebuchartig im neu ausgearbeiteten gleichen Format. Sie verstand dies als eine mögliche Auswahl. Sabine Bitter & Helmut Weber (2018) sahen ihre Schau „nicht als Überblick oder Auswahl, sondern als Überprüfung ihrer Praxis als ästhetische Produktion, die die Impulse der Bilder selbst in den Vordergrund rückt“. 

Allen gängigen Erwartungen hat sich Michaela Moscouw 2019 widersetzt. Ihre Ausstellung, Aus der  Deponie der Fotografie, wurde, wie oft bei ihr, aus Arte-Povera-Materialien – u.a. 160 cm große pizzaförmige Kartons mit Fotocollagen – sowie mit Fotogrammen gestaltet. Der Katalog war die Edition, die Rede fiel aus, dafür glänzte sie bei der Eröffnung bei einem „speed dating – meet the artist – ask a question“ und organisierte einen Bildertausch. Ein Pressetext durfte geschrieben werden.  

Die 2020er-Jahre begannen mit der WERKSCHAU von Günther Selichar. Der Titel, No Media Beyond this Point, verweist auf seine kritische Auseinandersetzung mit dem Einfluss von medienvermittelnden Bildern bzw. gelenkten Informationen. Zu Zeiten der Pandemie gab es damals ein Soft opening; aber alles fand statt, wenngleich auch mit großen Umständen …

Es folgten Heidi Harsieber und Christian Wachter mit in erster Linie fotografischen Arbeiten sowie Andrea van der Straeten (2023) und Karl-Heinz Klopf (2024) mit installativen, fotobasierten Ausstellungen. 
 

Ausstellung mit großformatigen Fotografien von nackten Frauen in verschiedenen Posen auf weißen Stellwänden und an der Wand in einem hellen Raum.
2023: WERKSCHAU XXVIII_Andrea van der Straeten, Ausstellungsansicht, Foto: Michael Michlmayr

„Wir freuen uns, … präsentieren zu dürfen …“

Erstmals gab es 2024 einen Audioguide zur Ausstellung mit QR-Code. Die Cinemathek war schon im September eingerichtet worden, Instagram und Facebook wurden immer wichtiger zur Vermittlung der Ausstellungen. 

Trotz aller Tendenzen und Schwerpunkte haben es bisher alle WERKSCHAU-Künstler*innen geschafft, den Räumlichkeiten der FOTOGALERIE WIEN ein immer völlig anderes Aussehen, eine ganz andere Stimmung zu verleihen. 

In Zeiten von Sanierungen gelang es durch die gute Vernetzung, in anderen Institutionen auszustellen, so richteten Horáková & Maurer ihre WERKSCHAU 2006 in der Akademie der bildenden Künste aus und Christian Wachter 2022 im Fotohof Salzburg.

Die WERKSCHAU ist ein bis heute beliebtes Format bei den Künstler*innen geblieben, die hier im wahrsten Sinne des Wortes „alles geben“.
„Wir freuen uns, im nächsten Herbst, Gabriele Rothemann, Künstlerin u. Professorin an der Universität für angewandte Kunst, Klasse Fotografie, präsentieren zu dürfen.“


Alle bisher ausgestellten Künstler*innen

Jana Wisniewski, Manfred Willmann, VALIE EXPORT, Leo Kandl, Elfriede Mejchar, Heinz Cibulka, Renate Bertlmann, Josef Wais, Horáková + Maurer, Gottfried Bechtold, Friedl Kubelka, Branko Lenart, INTAKT – Die Pionierinnen (Renate Bertlmann, Moucle Blackout, Linda Christanell, Lotte Hendrich-Hassmann, Karin Mack, Margot Pilz, Jana Wisniewski), Inge Dick, Lisl Ponger, Hans Kupelwieser, Robert Zahornicky, Ingeborg Strobl, Michael Mauracher, PRINZGAU/podgorschek, Maria Hahnenkamp, Robert F. Hammerstiel, Sabine Bitter & Helmut Weber, Michaela Moscouw, Günther Selichar, Heidi Harsieber Christian Wachter, Andrea van der Straeten und Karl-Heinz Klopf und Sigrid Kurz.

Alle Werkschauen sind zu finden: https://www.fotogaleriewien.at/ausstellungen/werkschau-2/
 

Titelbild: 2010: WERKSCHAU XV_Lisl Ponger, Ausstellungsansicht, Foto: Michael Michlmayr
 

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