Türkis-Blauer Retro-Kurs

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Türkis-Blauer Retro-Kurs

Oberösterreich zeigt vor, was eine Koalition aus ÖVP und FPÖ für die Frauenpolitik bedeutet. Am Internationalen Frauentag stehen die Zeichen auf Widerstand.

Ende Jänner übten sich Aktivistinnen aus ganz Österreich in „Feminismus und Krawall“. Ein Gipfeltreffen ganz im Zeichen des Widerstands.

Text von Brigitte Theißl

Ende Jänner übten sich Aktivistinnen aus ganz Österreich in „Feminismus und Krawall“. Ein Gipfeltreffen ganz im Zeichen des Widerstands gegen den befürchteten frauenpolitischen Backlash, das nicht zufällig in Linz stattfand.

Ende Jänner übten sich Aktivistinnen aus ganz Österreich in „Feminismus und Krawall“. Ein Gipfeltreffen ganz im Zeichen des Widerstands gegen den befürchteten frauenpolitischen Backlash, das nicht zufällig in Linz stattfand. Die oberösterreichischen Initiatorinnen wissen, wovon sie sprechen: „Das schwarzblaue Oberösterreich ist die Bühne, auf der ein schwarzblauer Bund seine Probe hält. Zukunft? Die wird zusammengespart. Die Zeichen stehen auf Rückschritt.“, ist auf ihrer Website zu lesen. Ein Rückschritt, der besonders Frauen trifft. Kurz vor Weihnachten erhielten drei oberösterreichische Frauenberatungsstellen die Nachricht, ihre Arbeit passe nicht mehr zum „Kerngeschäft“ des Frauenreferats, die Fördergelder sollen deshalb zur Gänze gestrichen werden. Es sind Fiftitu% – Vernetzungs- und Beratungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur, Maiz – autonomes Zentrum von & für Migrantinnen, und Arge Sie – Beratung und Wohnen für wohnungslose Frauen, Organisationen, die sich besonders prekären Gruppen widmen – und diese Arbeit künftig massiv einschränken müssen, sollte sich keine andere Lösung finden. Der Einsatz für Sexarbeiterinnen, Migrantinnen, wohnungslose Frauen und Künstlerinnen betreffe nur „Teilgruppen von Frauen“, sagte Beate Zechmeister, Leiterin des Frauenreferats Oberösterreich, im Interview mit dem Standard, die betroffenen Vereine müssten dementsprechend Förderungen in anderen Ressorts beantragen. Die Kritik an der Spezialisierung von Maiz, Fiftitu% und Arge Sie können deren Mitarbeiterinnen nicht nachvollziehen. „Angesichts zunehmender Prekarisierung gerade der von uns unterstützten Frauen ist es ein Widerspruch, ausgerechnet deren Beratungen und Förderungen einzustellen“, ließen sie die zuständige Landesrätin Christine Haberlander (ÖVP) in einer Aussendung wissen. Nicht einmal 60.000 Euro sind es, die sich das Land jährlich durch die Streichung der Förderungen erspart, das ausgerufene Credo „Oberösterreich muss sparen“ wird dennoch allerorts ins Feld geführt. Und gespart wird auch bei der sozialen Infrastruktur – was wiederum Frauen besonders betrifft. Mit 1. Februar wurde eine Kindergartengebühr eingeführt, Nachmittagsbetreuung ist nun kostenpflichtig.

Auf Bundesebene ist bisher noch wenig Konkretes bekannt, was die frauenpolitische Agenda der Regierung unter Kanzler Kurz betrifft, das knapp gehaltene Kapitel „Frauen“ im Regierungsprogramm macht aber die Stoßrichtung der rechtskonservativen Koalition deutlich. Schon die Verankerung der Frauensektion im Ministerium für Familien und Jugend ist als klare Botschaft zu deuten: Frauen- und Familienpolitik gehören zusammen. „Frauen in Österreich übernehmen und tragen heute Verantwortung in allen gesellschaftlichen und lebensentscheidenden Bereichen wie beispielsweise in der Erziehung, Pflege, Bildung, Wirtschaft, Umwelt oder in ehrenamtlichen Tätigkeiten“, ist dort zu lesen. Anerkennung gibt es also für jene Arbeit von Frauen, die sie unterbezahlt oder gänzlich unbezahlt leisten, die „Würdigung“ dessen ersetzt das feministische Ziel, Frauen eine eigenständige Existenz zu ermöglichen. Dass Frauen in Österreich nach wie vor den Großteil der unbezahlten Reproduktionsarbeit erledigen, Kinder großziehen und Verwandte pflegen, lässt sich schlussendlich an den geschlechtsspezifischen Einkommens- und Vermögensverhältnissen ablesen. Aber auch die Bewertung von Berufen, in denen überwiegend Frauen arbeiten – ob als Lehrerin, Altenpflegerin oder Bibliothekarin – trägt zum Gender Pay Gap bei, der hierzulande bei rund 22 Prozent liegt – in der Pension wächst die Einkommensschere auf ganze 38 Prozent an.

Herrschende Geschlechterbilder aufzubrechen und die Verteilung und Bewertung von Arbeit ganz neu zu diskutieren, steht nicht auf der Agenda der Regierung. Ganz im Gegenteil. „Die Besonderheit beider Geschlechter macht den Mehrwert für die Gesellschaft sichtbar. Die Verschiedenheit von Mann und Frau zu kennen und anzuerkennen, ist ein Bestandteil menschlichen Lebens und damit unantastbar mit der Würde des Menschen verbunden“, ist weiters im Frauenkapitel zu lesen. Nicht nur die Zweigeschlechtlichkeit, sondern auch klare Rollenzuschreibung zementiert die Regierung damit ein, gesellschaftspolitische Vorstellungen, gegen die feministische Bewegungen seit Jahrzehnten ankämpfen. Ihre Vision ist eine andere: Geschlecht darf nicht als gesellschaftlicher Platzanweiser fungieren, über Entfaltungsmöglichkeiten und Lebensglück bestimmen – genauso wenig wie die soziale Herkunft oder der Reisepass.
Feministischer Widerstand gegen türkis-blaue Kürzungsprogramme ist dementsprechend – wie „Feminismus und Krawall“ vorzeigen – nicht nur am 8. März, dem Internationalen Frauentag, zu erwarten. Den formalen Weg haben die Aktivist_innen des Frauenvolksbegehrens 2.0 gewählt. Ihr frauenpolitischer Gegenentwurf zur Regierung beinhaltet Forderungen wie die 30-Stunden-Woche, kostenlose Verhütungsmittel und den Ausbau von Gewaltprävention und Beratungsstellen. Vermutlich noch vor dem Sommer wird das Volksbegehren zur Unterschrift aufliegen. Vom Retro-Kurs der Regierung lassen sich die Initiator_innen nicht einschüchtern: „Wenn Menschen Diskriminierungen und Bedrohungen erkennen, müssen sie eingreifen“, sagte Lena Jäger, Projektleiterin beim Frauenvolksbegehren, dem feministischen Magazin an.schläge.

 

Brigitte Theißl lebt als freie Journalistin und feministische Erwachsenenbildnerin in Wien. Sie bloggt unter www.denkwerkstattblog.net.

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