Bildet Banden!

Photo by Markus Spiske on Unsplash
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Bildet Banden!

Systemwandel ist keine Utopie.

Bernhard Kern macht sich anlässlich des 40. WUK-Geburtstags Gedanken zum Thema Utopie.

Utopie – Vor 40 Jahren war die Idee des Werkstätten- und Kulturhauses ein utopischer Gedanke. Wie hat sich diese Utopie in den vergangenen Jahrzehnten verändert und wie kann eine WUK-Utopie der Zukunft aussehen? Mehr noch: Was bedeutet Utopie in den unterschiedlichsten Facetten von Kunst, Kultur, Bildung, Beratung und den vielen anderen Tätigkeitsfeldern, die das WUK in sich versammelt? Wir schaffen im WUK-Jubiläumsjahr 2021 Platz für utopische Gedanken.

An dieser Stelle: Labelbetreiber, Musiker und Plattenverkäufer Bernhard Kern zum unausweichlichen Systemwandel.

"Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche", lautete eine Parole der mythenumwobenen "68er"-Bewegung.

Große Erzählungen von einem grundsätzlichen Systemwandel werden heutzutage eher belächelt. Zu tief sitzen die Enttäuschungen über die schiere Ohnmacht, gegen ein kapitalistisches Wertesystem anzukommen, das neoliberale Profitwirtschaft über Gemeinwohlinteressen stellt.

Alternative Lebensmodelle scheinen sich auch gar nicht mehr an großen Themen abarbeiten zu wollen; sie fungieren vordergründig als persönliches Lifestyle-Tool. Solidarität wird nur noch soweit gedacht, dass wir im sogenannten "Lockdown" z.B. das hippe Bowl-Lokal mit einer Essensbestellung supporten.

Die zunehmende Ausbeutung von Arbeitskraft mit zusätzlicher Privatisierung von Grundrechten wie Gesundheitsversorgung, Bildung, Wohnraum und Kultur löst bei vielen nur noch ein resigniertes "Ja eh" aus.

Bei all den sich überschlagenden Hiobsbotschaften darf aber die Hoffnung nicht verloren gehen. In kleineren Strukturen sprudeln immer wieder Gruppierungen hervor, die sich ihre eigenen Freiräume strukturieren und an Alternativkonzepten in spezifischen Bereichen arbeiten. Menschen schließen sich zusammen, um durch Selbstorganisation etwas zu bewirken, sei es in Form von Beratungsstellen, Foodkoops, Wohnraum-Syndikaten, Gemeinwohl-Banken, NGOs, die flüchtende Menschen unterstützen, oder in Form von Labels, Veranstaltungskollektiven und Kulturvereinen.

Diese Zusammenschlüsse sind ein Stück weit ein Selbstzweck, weil sie es ermöglichen, dass wir zusammenkommen, aber sie haben auch einen Zweck darüber hinaus: Sie sind auch Labs, Laboratorien, für grundsätzliches Hinterfragen von tradierten Strukturen. Es geht um Methoden, wie Meinungsbildung hergestellt wird, wie versucht wird, Hierarchien zu stören oder ganz zu vermeiden. Wie können in üblichen Strukturen eher ungehörte Stimmen gehört und gewichtet werden? Welche Tools können wir entwickeln, um Diversität zu respektieren? Dabei soll nicht außer Acht gelassen werden, dass solche Wege und Zielrichtungen nicht von denen mit den lautesten Stimmen anderen aufgezwungen werden. Erst das bewusste Hinhören und Hinsehen auf Einwände und Zweifel kann ein gemeinsames Voranschreiten ermöglichen. Nur durch Ausprobieren und Erlernen von hierarchiefreien und inklusiven Methoden im Kleinen kann es ein Überdenken und Realisieren auf der Ebene von großen Systemen geben.

In früheren feudalen Systemen war die Möglichkeit der (Ab-)Wahl eines Königs, einer Königin undenkbar. Allein schon die Vorstellung eines Wahlrechts wirkte utopisch. Heute scheint unser demokratisches Wahlsystem mit Parteien, die vorrangig wirtschaftliche Überlegungen in den Vordergrund stellen, in Stein gemeißelt. Nationalstaaten gelten als die legitimen Macht- und Entscheidungsträgerinnen, wenn es um unser Zusammenleben geht. Eine globale politische und gesellschaftliche Veränderung und Abkehr vom letalen Dogma "Wirtschaftswachstum" ist im Moment nicht in Sicht.

Dennoch sehe ich einen Systemwandel in den nächsten Jahrzehnten nicht als utopisch an. Utopisch, nämlich unrealistisch, wäre es, zu glauben, dass das derzeitige System (vor allem im Anbetracht der fortschreitenden Klimakatastrophe) weiterhin bestehen kann. Kann es nicht und wird es nicht.

Utopie: Bernhard Kern. Im Jahr 2005 gründete Bernhard Kern gemeinsam mit Robert Stadlober das Musiklabel Siluh Records. Er spielte in den Gruppen Das Fieber, Gary und Golden Sikhs und führt seit 2019 einen kleinen Plattenladen namens Siluh Laden in der Wiener Wallensteinstraße.

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