Bewusstseinsbildung als Nebeneffekt

Bewusstseinsbildung als Nebeneffekt

Kreislaufwirtschaft bei WUK re.cycle

Im ehemaligen Bauhof in Gänserndorf werden Gegenstände gerettet, repariert und wiederverwendet. Bei WUK re.cycle entstehen aus scheinbar ausgedienten Materialien neue, hochwertige Dinge mit Charakter – und gleichzeitig neue Perspektiven für Menschen, die am Arbeitsmarkt wieder Fuß fassen möchten. Wir haben mit WUK Geschäftsleiter Christoph Trauner, Arbeitsanleiterin Lilly Kolb und Transitmitarbeiter Thomas H. (Name anonymisiert) darüber gesprochen, was sie an dem Projekt begeistert.

Lesezeit: ca. 6 Minuten

Kreislaufwirtschaft ist das Herzstück von WUK re.cycle. Was bedeutet dieser Ansatz für dich?

Christoph Trauner: Das WUK beschäftigt sich schon länger mit der Thematik. Angefangen hat es bereits 1982 mit der Gründung des WUK Jugendprojekts. Hier ging es darum, arbeitslosen Jugendlichen die Chance zu geben, einer Beschäftigung in den Bereichen Malerei, Maurerei und Tischlerei nachzugehen, und gleichzeitig das desolate Gebäude des WUK zu sanieren. Schon damals wurde mit Materialien gearbeitet, die einer Weiterverwendung unterzogen wurden. In einer Zeit des zunehmenden Ressourcenverbrauchs auf der Welt ist es einfach ein Gebot der Stunde, in Kreisläufen zu denken.

Lilly Kolb: In unserer Gesellschaft muss immer alles sofort zur Verfügung stehen, egal, ob das die Mode, die technische Ausstattung oder die Lebensmittel betrifft. Nach einem Umzug nahm ich mir als Experiment vor, einen Monat lang keinen Plastikmüll zu produzieren. Das war eine ziemliche Herausforderung, aber auch extrem spannend. Seitdem haben mich die Themen Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Kreislaufwirtschaft immer begleitet. Ich schlendere mittlerweile über Vintage-Märkte, gehe nicht mehr in die größten Einkaufszentren einkaufen und fahre lieber mit dem Fahrrad als mit einem Auto. Das führt auch dazu, dass man bewusster lebt. WUK re.cycle nimmt ein wichtiges Thema auf und versucht, es in einer ländlichen Gegend zugänglicher zu machen.

Thomas H.: Unser Ziel ist es, die Produkte länger im Gebrauch zu lassen, die Materialien so gut wie möglich zu verwerten, zu gebrauchen, von der Wegwerfgesellschaft zu entfliehen. Es ist ein Wahnsinn, was Leute so wegschmeißen, das man eigentlich noch gebrauchen und wieder einer neuen Verwendung zuführen könnte.

Zwei Fahrräder flankieren einen Tisch mit Stühlen, einer Kommode, Lampen, einem Bild und einer Holzkiste vor einer roten Wellblechwand.

WUK re.cycle verbindet Soziales, Handwerk und Nachhaltigkeit. Was findest du an dem Projekt besonders spannend?

Christoph Trauner: Genau diese Vielfalt macht das Projekt aus. Durch die Kombination unterschiedlicher Ansätze entsteht ein breites Spektrum an Tätigkeiten und Einsatzmöglichkeiten. Je nachdem, welche spezifischen Bedürfnisse die Menschen haben, die hier eine Beschäftigungsmöglichkeit finden, ist so für jeden etwas dabei. Dazu gehört etwa die Aufbereitung alter Fahrräder oder die Sichtung von gebrauchtem, aber noch funktionstüchtigem Geschirr und anderen Waren, die anschließend im Shop verkauft werden. All diese Aktivitäten tragen nicht nur dazu bei, bestehende Ressourcen sinnvoll wiederzuverwenden, sondern schaffen auch Möglichkeiten, damit Menschen wieder am Arbeitsmarkt Fuß fassen können – was das Konzept sehr nachhaltig macht.

Thomas H.: Ich bin von Anfang an bei dem Projekt dabei und arbeite momentan an den Umbauten. Es gibt noch viel Arbeit bevor das Recyceln richtig anfangen kann. Es hätte mich interessiert, Elektrogeräte zu zerlegen, Fahrräder zu reparieren oder alte Möbelstücke zu restaurieren, aber ich werde wahrscheinlich nicht genug Zeit haben, um noch aktiv daran mitzuarbeiten, da ich nur neun Monate bleiben kann. Aber auch die aktuellen handwerklichen Arbeiten machen mir Spaß.

Lilly Kolb: Es steckt unglaublich viel Potential in dem Projekt, weil es einen sehr niederschwelligen Zugang ermöglicht. Je länger die Menschen bei uns sind, umso mehr beschäftigen sie sich mit der Thematik. Sie sehen, dass man Sachen, die wir gespendet bekommen, wiederverwenden oder einer anderen Nutzung zuführen kann. Sie denken darüber nach, dass sie nicht unbedingt alles neu kaufen müssen. Zuhause würden sie sich das wahrscheinlich nicht überlegen, da geht man online auf Amazon und bestellt sich etwas. Es ist sehr spannend mitzuerleben, was alleine nur das Dabeisein bei den Leuten auslöst. Das hinterlässt in mir ein Gefühl der Zuversicht, dass wir für unsere Umwelt doch noch Gutes tun können – und zwar alle gemeinsam. Auch wenn das nicht das eigentliche Ziel des Projekts ist, dass die Leute bewusster werden, ist es ein schöner Nebeneffekt. 

wei Personen sitzen an einem kleinen lila Tisch vor einem Café, eine weitere Person steht in der Tür. Bunte Girlande hängt im Fenster

Das Projekt befindet sich derzeit noch in einer Aufbauphase. Was war bisher dein persönliches Highlight – und welche Momente waren herausfordernd?

Christoph Trauner:  Ich bekomme die tagtäglichen Herausforderungen, die direkt mit der Umsetzung des Projekts zu tun haben, als Geschäftsleiter nur in sehr begrenztem Maße mit. Diese Aufgaben bleiben größtenteils auf der operativen Ebene. Andreas Keplinger, der die Projekt- und Betriebsleitung bei WUK re.cycle innehat, leistet zusammen mit seinem Team wirklich hervorragende Arbeit. Ein Beispiel: Wenn man plötzlich feststellt, dass das Gefälle des Abflusses nicht stimmt, müssen erst einmal grobe Kanalisationsarbeiten erledigt werden – obwohl man eigentlich schon mit dem Ausmalen beginnen wollte. Solche unvorhergesehenen Arbeiten führen natürlich zu Zeitverzögerungen. Diese zu managen, ist eine enorme Herausforderung. 

Thomas H.: Bei den Umbauten sind für mich viele neue Sachen dabei. Ich habe zwar etwas Erfahrung, weil ich bereits zwei Häuser mitgebaut habe, aber ich lerne hier viel, vor allem in Bereichen wie Trockenbau, Bodenverlegung und Malerarbeiten. Das sind alles interessante Arbeiten. Wir haben ein Badezimmer komplett abgerissen, da war keine Wand mehr da. Und jetzt haben wir alles wiederaufgebaut. Da denkt man sich schon: Wow, das ist fantastisch! Super, was man geleistet hat. Wenn am Ende alles rennt und ich wieder herkomme, werde ich mit Stolz sagen können: Da habe ich mitgearbeitet.

Lilly Kolb: Bei uns ist kein Tag gleich wie ein anderer. Es ist extrem spannend, von Anfang an bei dem Projekt dabei zu sein, sich einbringen und es sogar noch mitformen zu können. Aber das führt natürlich auch dazu, dass es oft sehr chaotisch ist. Wir haben jedoch einen Weg gefunden, die kleinen und größeren Herausforderungen, die einfach dazu gehören, mit Humor zu nehmen. 
Ein sehr großes Highlight, das größte wahrscheinlich, war die Eröffnung von Shop und Café Anfang September. Auf das haben wir lange mit viel Einsatz, Kraft und Energie hingearbeitet. Zu sehen, wie sich der Raum mit Menschen füllt, so viel positives Feedback zu bekommen und die strahlenden Gesichter im Team wahrzunehmen, das war schon ein großartiger Moment. 

Christoph Trauner: Ein besonderer Moment war für mich die Zusammenarbeit mit der Stadtgemeinde Gänserndorf, die ich als äußerst unterstützend und hilfreich empfunden habe. Anfangs wussten wir gar nicht genau, an welchem Ort wir das Projekt umsetzen würden. Bürgermeister René Lobner war dem Projekt gegenüber sehr aufgeschlossen. Dass wir nun im ehemaligen Bauhof in Gänserndorf unseren Standort haben, verdanken wir sicherlich auch dem großen Engagement der Stadt. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken.

Gruppe von zehn Personen vor einem Gebäude mit weißer Fassade
AMS Pressekonferenz bei WUK re.cycle am 21.10.2025 - Foto: (v.l.) Andreas Keplinger (WUK re.cycle), Harald Hanke (Mitarbeiter), Cornelia Fürlinger (WUK bio.pflanzen), René Lobner (Bürgermeister Gänserndorf), Zeifa Beganovic (Mitarbeiterin), Sandra Kern (AMS NÖ-LGF), Christoph Trauner (Geschäftsleitung WUK) Georg Grund-Groiss, (AMS Gänserndorf), Petimat Alimhanova (Mitarbeiterin), Roman Stachelberger, (Vizepräs. NÖ Umweltverbände.)

Gibt es ein persönliches Re-Use-Produkt, das dir besonders am Herzen liegt?

Lilly Kolb: Ein erstes gemeinsames Highlight mit unseren ersten Transitarbeitskräften war, als wir das erste Mal etwas recycelt haben. Bei einer Sammelaktion haben wir einen alten Bauerntrog bekommen. Den haben dann hauptsächlich Frauen restauriert. Sie haben das erste Mal einen Handschleifer und einen Tacker in der Hand gehabt. Manche haben damit gehadert: Kann ich das überhaupt? Schaff ich das? Dann war er irgendwann schön blau angemalt, Erde war drinnen und bunte Pflanzen. Es ist ein wunderschönes Blumenbeet entstanden. Die Freude, als wir es hingestellt haben, war irrsinnig schön mitzuerleben. 
Viel Energie hat uns auch das Anlegen unseres Pflanzenbeets gekostet. Wir haben alte Ziegelsteine aus einem Nachbardorf geholt, gereinigt, hochgeschleppt und zu einem Beet aufgebaut. Obwohl wir erst im Sommer damit angefangen haben, konnten wir schon eine Ernte daraus bekommen. Bis vor kurzem haben wir noch Mini-Gurken geerntet. Wenn man selbst im Entstehungsprozess mit dabei war, schaut man auf das Ergebnis immer mit anderen Augen. 

Thomas H.:  Ich sammle zum Beispiel alte Hi-Fi-Geräte. Ich hatte nie die Haltung, alles wegzuwerfen. Im Gegenteil: Ich gebe alles in den Keller, um es noch ein paar Jahre aufzuheben. Man kann es ja nochmal gebrauchen.

Christoph Trauner: Besonders gerne habe ich einen gemusterten Tortenteller aus den 1970er Jahren, den ich in einem Second-Hand-Shop von einem anderen sozialökonomischen Betrieb gekauft habe und der nun bei jedem Geburtstag zum Einsatz kommt.

 

Schenke alten Dingen neues Leben!

Hast du intakten Hausrat, Elektrogeräte, Fahrräder oder Kleinmöbel, die du nicht mehr brauchst? Unterstütze uns mit deiner Sachspende!

Ruf uns an oder schick uns ein Foto über WhatsApp unter 0699 140 120 80 bzw. per E-Mail an shop.recycle@wuk.at.

Besuche uns im re.cycle Café + Shop!

Am Rathausplatz 3 in Gänserndorf gibt es einen vegetarischen Mittagstisch, Snacks und guten Kaffee. In unseren Verkaufsregalen stehen neben Vintage-Schönheiten Köstlichkeiten von WUK bio.pflanzen.

Öffnungszeiten: Di bis Do: 8 – 16.00 Uhr, Fr: 8 – 13.00 Uhr
Folge uns auf Instagram instagram.com/wukrecycle für unsere aktuellen Angebote!

Zwei Frauen sitzen an einem weißen Tisch, im Hintergrund ein Regal mit Keramikgeschirr und Gläsern

Sinnstiftende Arbeit mit gesellschaftlichem Wert

Die vom AMS Niederösterreich geförderte Soziale Land- und Kreislaufwirtschaft Marchfeld beschäftigt in ihren Betrieben WUK bio.pflanzen und WUK re.cycle langzeiterwerbslose Personen aus dem Bezirk Gänserndorf. Sie fördert Menschen, die sich für den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt vorbereiten und gleichzeitig ein zukunftsorientiertes, nachhaltiges Wirtschaften.

Diese Artikel könnten dich auch interessieren:

Read article

Fit für Teilhabe

AusbildungsFit WUK aut.fit

Read article

Demokratiebildung und Wahlausschluss – Wie geht das zusammen?

Demokratie im Pflichtschulabschlusskurs WUK m.power