Esther Holland-Merten im Gespräch

Esther Holland-Merten im Gespräch

Vom 16. bis 18. November und vom 23. bis 25. November feiert WUK performing arts die Saisoneröffnung unter der neuen künstlerischen Leiterin Esther Holland-Merten. Wir haben sie vorab zum Gespräch gebeten.

Esther Holland-Merten
(c) Jana Kaunitz

Was verbindest du mit dem Begriff „performing arts“?

Eigensinn, der die künstlerischen Projekte ebenso meint wie die Macher_innen. Ihre Ideen ebenso wie die Formen. Unverzichtbare Grundlage eines zeitgenössischen Kunstschaffens. Und ich verbinde damit Grenzenlosigkeit, dass performing arts, also die darstellenden Künste, weitaus mehr können als die „klassische“ Unterteilung in Theater, Tanz, Musik und Performance. Sie sind Bodyart, Sound, immersive Game-Settings, Interventionen, Lectures oder Audiowalks – kunstübergreifend nähren sie sich aus der bildenden ebenso wie aus der visuellen Kunst. Und es stehen nicht mehr nur der Körper und die Performer_innen im Mittelpunkt, sondern eine ganz besondere Art der Erfahrung, die diese Kunstformen dem Publikum anbieten.

Welche Schwerpunkte wirst du setzen?

Es gibt viele Künstler_innen in Wien, die unglaublich spannende performative Kunst machen und an deren Grenzen kratzen. Mir geht es darum, diese Wiener Arbeiten zu zeigen, aber auch die Arbeitskontexte und Entwicklungen der Künstler_innen dem Publikum sichtbar zu machen, z. B. indem wir mehrere Arbeiten von einzelnen Künstler_innen zeigen.

Zusätzlich werde ich internationale Gastspiele einladen, die ästhetisch und formal das Programm der lokalen Szene erweitern.

Und ich möchte Menschen für unsere Arbeit begeistern, nicht nur indem wir sie zu den Veranstaltungen einladen, sondern indem wir über unsere Arbeit sprechen. Wir haben dafür den WUK performing arts club ins Leben gerufen, der interessierte Menschen ab 20 Jahren einlädt, mehr über die Geschichte, Gegenwart, Mittel, Formen und Inhalte der performativen Künste zu erfahren und in einem eigenen Projekt zu erproben und öffentlich zu zeigen.

Welche Herausforderungen begegnen Dir in Deiner kuratorischen Arbeit?

Vor allem bedeutet kuratieren, sich Zeit für Gespräche zu nehmen, um Künstler_innen kennen zu lernen, um etwas von ihrer Arbeit zu erfahren, sich etwas von ihnen anzuschauen und miteinander herauszufinden, ob man zusammenarbeiten möchte. Das braucht Vertrauen und manchmal sehr lange Vorläufe, bevor ein gemeinsames Vorhaben entsteht und realisiert werden kann.

Wie erfolgt die Zusammenarbeit mit den Künstler_innen?

Das wichtigste dabei ist wohl, dass man einander auf dem Laufenden über die Entwicklung einer Produktion hält. Es ist gut zu erfahren, wie Probenprozesse verlaufen, an welchen inhaltlichen Fragen gearbeitet wird oder welche formalen Experimente ausprobiert werden. Manchmal ist es auch möglich, etwas öffentlich auszuprobieren und Feedback zu erfragen.

Inwiefern wirst du mit den autonomen Gruppen im WUK zusammenarbeiten?

Ich bin im Moment dabei, die Gruppen kennenzulernen, aber natürlich ist mir die ttp (tanztheaterperformance) programmatisch nah und wir möchten in jedem Falle zusammenarbeiten. Ich habe den großen Wunsch, dass wir uns gegenseitig unterstützen und das Potential, das sich in direkter Nachbar_innenschaft befindet, stark machen und es liegen dafür bereits verschiedene Ideen auf dem Tisch.

Über Esther Holland-Merten

Nach ihrem Studium der Theaterwissenschaft, Kulturwissenschaft und Französistik in Leipzig, Berlin und Paris arbeitete Esther Holland-Merten für Performancefestivals am Podewil Berlin, auf Kampnagel Hamburg und an der Académie Expérimentale des Théâtres in Paris und koordinierte das 23. NRW-Theatertreffen. Die letzte Station ihrer Arbeit als Spielstättenleiterin, Kuratorin und Dramaturgin war das Schauspiel Leipzig, wo sie als Künstlerische Leiterin ein Artists-In-Residence-Programm für Performance-Künstler_innen ins Leben rief, das durch seine Anbindung an ein Stadttheater einmalig in der deutschsprachigen Theaterlandschaft ist. Etablierte Künstler_innen wie Constanza Macras oder das Kollektiv Gob Squad konnte sie dafür ebenso gewinnen wie Newcomer wie Monster Truck, Interrobang oder Machina Ex, aber auch mehrere Gruppen aus der Wiener freien Szene, wie u. a. God’s Entertainment und notfoundyet. Als Leiterin von Spielstätten, die den Fokus auf neue Dramatik gesetzt haben, konnte sie zahlreiche Uraufführungen von Texten initiieren, die in Folge zu renommierten Festivals eingeladen wurden. Darüber hinaus war sie künstlerische Leiterin von diversen Festivals, wie u.a. „Chemnitz – schönste Blume des Ostens!“ und „4+1 – ein treffen junger autorInnen“ und in zahlreichen Jurys tätig, u. a. den Retzhofer Dramapreis, den Kleist-Förderpreis und für die euro-scene Leipzig. Seit 2013 lebt und arbeitet sie in Wien und war als Dozentin an der Universität Wien und als Dramaturgin in der freien Wiener Szene tätig.