Die Rohheit an der Macht...
Die politischen Klimavergifter_innen sitzen seit nunmehr einem Jahr in hohen Regierungsämtern – und verpesten das Land mit dem, was sie den „neuen Stil“ nennen. Der Politik der doppelten Rohheit nämlich. Da ist die Rohheit von Sebastian Kurz‘ Yuppie-Prätorianergarde: Verachtung der Armen, Neidkampagnen gegen alle, die ohnehin wenig haben. Den Kindern von Altenpfleger_innen wird das Familiengeld gestrichen, dafür das Geld reichen Schönheitschirurg_innen zugeschanzt. Das Land wird vom solidarischen Gemeinwesen zum Kampfplatz umgebaut, auf dem jede_r gegen jede_n konkurrieren soll, und sei es nur um die Krümel, die die Gewinner_innen von den Tischen fallen lassen. Dieses Bild von der Wettkampfgesellschaft passt nur zu gut zu jener Art von Rohheit, die immer das Markenzeichen der FPÖ war: Die Menschen in In- und Ausländer_innen zu spalten und sie gegeneinander aufzuhetzen. Ganz nach dem perfiden Motto: „Wir versprechen nicht, dass es Dir besser geht, aber wir versprechen Dir, dass es Deinem Nachbarn noch schlechter geht als Dir.“
Die Rohheit ist in Amt und Würden, der Zynismus an der Macht.
Dabei ist es eine Angstkultur, die benutzt und ausgebeutet wird. Angst vor Abstieg. Angst, dass der Boden unter den Füßen nicht mehr sicher ist. Diese Angst ist der Rohstoff, aus dem die Politik der Rohheit ihre täglichen Kampagnen schmiedet und ihre Gemeinheiten zusammenknetet. Politik mit Gefühlen, aber mit miesen.
In einer solchen Lage ist es Zeit für Opposition. Die Opposition im Parlament ist, wie sie ist. Die Sozialdemokrat_innen haben ihre Rolle noch nicht gefunden, sind hin und her gerissen zwischen Anpassung und Dagegenhalten, auch gelähmt vom Flügelkampf und den Wunden, die man sich parteiintern geschlagen hat. Die Grünen existieren als parlamentarische Opposition sowieso nicht, und die Neos sind ein bisschen wie Kurz früher, nur mit Anstand. Und die Liste Pilz ist im Wesentlichen mit sich selbst beschäftigt und den Vorwürfen, dass ihr Listengründer ein Grapscher sei. Aber was soll's: Es ist, wie es ist.
Macht aber auch nichts: Muss man der Opposition eben Beine machen. Sowieso ist ja klar: Die Verteidigung der liberalen Demokratie und der Aufbau einer sozialen und demokratischen Alternative kann ohnehin niemals Politiker_innen alleine überantwortet werden. Jede_r sollte aktiv werden, sei es einfach im Gespräch oder in dem „gesellschaftlichen Meinungsstreit“, sei es in NGOs, in Gewerkschaften, in Parteien oder sich vielleicht punktuell auch in Wahlkämpfen engagieren – dafür muss man ja nicht gleich alles unterschreiben, was eine Partei oder ein_e Kandidat_in so meint. Bei der Bundespräsidentschaftswahl hat das ja auch funktioniert.
Ein paar lose Punkte, die man dabei vielleicht im Auge haben sollte
1. Es ist einfacher, für die Demokratie zu kämpfen, solange es sie noch gibt.
Es ist nötig, wieder in ein gesellschaftliches Gespräch zu kommen – auch wenn das mit den Leuten, die in dummdreister Aufgeblasenheit nur aggressiven Unsinn von sich geben, meist eher schwierig ist. Aber auch wenn das manchmal anders scheint: sie sind nur eine kleine Minderheit. Über diese Minderheit hinaus gibt es aber eine große Gruppe von Menschen, die eigentlich das Herz am rechten Fleck haben und für die Vernunft empfänglich sind, aber aus welchen Gründen immer – aus Unwissenheit, Angst, Verunsicherung, Naivität, oder einer Mischung aus all dem –, auch in den Sog der verdummten Aggro-Diskurse kommen können. Wir müssen uns ja nur selbst beobachten. Wahrnehmungen und Einstellungen sind nicht stabil. Auch unsere eigenen nicht. Weil das aber so ist, braucht es wohl zweierlei Strategien, die nicht immer leicht unter einen Hut zu bringen sind: Gesprächsbereitschaft und empathische Zuwendung, gerade auch gegenüber jenen, die Meinungen vertreten, die uns im ersten Augenblick nicht gefallen. Aber zugleich auch Klarheit und Entschiedenheit, kein verschämtes Wegducken.
Der deutsche Sozialwissenschaftler Harald Welzer hat unlängst ein kleines Büchlein geschrieben, das genau dazu ermutigen will. „Wir sind die Mehrheit!“, proklamiert er. Aber diese Mehrheit kann sich nicht mehr länger ihren privaten Vorlieben widmen, ist Welzer überzeugt. Irgendwelchen überforderten Politiker_innen darf man es längst nicht mehr überlassen, für diese liberalen, pluralistischen Gesellschaften einzutreten. Und so formuliert Welzer zwei wichtige Regeln:
Erstens: Der rechte Rand ist für eine stabile Demokratie kein Problem. Ein Problem ist es, wenn die Themen des rechten Rands in die Mitte der Gesellschaft wandern.
Zweitens: Es ist einfacher, für die Demokratie zu kämpfen, solange es sie noch gibt.
2. Es nützt nichts, in Depression zu verfallen oder gar Pessimismus zu verbreiten. Denn nichts ist unattraktiver als die Miesepeterei. Und, siehe oben, die Angst ist der Rohstoff, der den Feind_innen der Freiheit günstig ist. Also. Fürchtet Euch nicht! Wir haben nichts zu fürchten als die Furcht selbst.
3. Die Versuchung ist groß, sich täglich über die unglaublichen verbalen Entgleisungen und die neuesten menschenverachtenden Handlungen der Regierung zu empören. Und es ist ja auch notwendig. Sich nicht mehr zu empören, abgestumpft werden, führt nur dazu, dass Dinge als akzeptabel erscheinen, die nicht akzeptiert werden dürfen. Aber all das hat auch eine Gefahr: dass man sich nur mehr den Rechtspopulist_innen zuwendet. Dass man den Eindruck erweckt, alles dreht sich um sie. Dass sogar der Eindruck entsteht, ihre Themen und Haltungen wären majoritär oder sogar Konsens. Die Empörung schaufelt ihnen Aufmerksamkeit zu. Und hinzu kommt: Wer nur mehr die demokratischen und pluralistisch-liberalen Standards verteidigt, ist, wie der Name schon sagt: Defensivkraft. Und keine Kraft der Veränderung mehr.
4. Das Bild einer attraktiven Zukunft entwerfen, für die man sich begeistern kann. Die gesellschaftliche Linke als Ganzes braucht endlich wieder ein klares Bild von der Zukunft, ein Bild einer Zukunft, für die man sich begeistern kann. Also: Kraft der Veränderung sein! Einmischen!
5. Auf die eigene Sprache achten! Aufhören mit dem Kleingruppengeist, dem Jargon, den Distinktionsbedürfnissen. Das hindert nämlich erstens, zu breiten Mehrheiten zu sprechen, mit denen überhaupt in Kontakt zu kommen. Und wirkt im schlimmsten Fall sogar arrogant. Raus aus den eigenen Milieus. Aus der kleinen Welt derer, die eh schon überzeugt sind. Und die Menschen gern haben.
Robert Misik ist Journalist und Sachbuchautor. Er lebt und arbeitet in Wien.
Perspektiven des Non Profit Managements zwischen Dienstleistung und Widerstand
Misik hält einen Impulsvortrag bei der Veranstaltung „Perspektiven des Non Profit Managements zwischen Dienstleistung und Widerstand“ der Organisation Vielfarben.
Di 18.12., 9 – 17 Uhr, Projektraum
Nähere Infos und Anmeldung: www.vielfarben.at